Bagdad soll wieder schön werden

Der Bürgermeister der irakischen Hauptstadt will ihren Einwohnern ein Stück Hoffnung zurückgeben. Mit amerikanischer Hilfe lässt er die berühmte Flaniermeile Abu Nawas sanieren. Auch US-Soldaten arbeiten tatkräftig mit

BAGDAD taz ■ Glanz und Elend von Bagdad liegen an der Abu Nawas. Hier, in der Straße am Ostufer des Tigris, beginnen die glücklichen Geschichten der Hauptstadt, und hier enden sie auch. Früher konnte man an der Uferpromenade, die den Namen eines dem Wein zugeneigten Dichters aus dem 9. Jahrhundert trägt, ausgehen, flanieren, vor allem aber in begrünten Gärten sitzen und Masguf, den berühmten gegrillten Karpfen, essen. Zum Vergnügen gehörte dabei, den Köchen zuzuschauen, wie sie den Fisch in zwei Hälften teilten und langsam am offenen Feuer zubereiteten. Als wahrer Meister galt, wer den Fisch weder zu langsam noch zu schnell garte.

Hunderte von kleinen Feuern erhellten dann den Bagdader Nachthimmel, während sich die glühende Holzkohle, der Fisch und der Geruch des träge vorbeifließenden Tigris zum Duft von Bagdad vereinten. Sobald die Dämmerung einbrach, versammelten sich hier Familien zum Picknick. In den unzähligen Casinos vertrieben sich Männer mit Alkohol und Dominospielen die Zeit bis in den frühen Morgen.

Keine Nacht sei er vor vier Uhr morgens nach Hause gegangen, sagt Mohammed Mehdi. „Heute kann ich froh sein, wenn überhaupt Kundschaft kommt.“ Seit 35 Jahren ist die Abu Nawas, die sich von der zentralen Brücke der Republik in Richtung Süden kilometerlang den Tigris entlangschlängelt, das eigentliche Zuhause von Mohammed Mehdi. Angefangen hat er hier als Achtjähriger als Gehilfe eines Onkels, später hat er zusammen mit seinem Bruder ein eigenes Lokal, das „Bagdad Fisch-Casino“, aufgemacht. „Die besten Zeiten waren die 60er- und 70er-Jahre“, sagt der Wirt. Ein vergilbtes Foto von 1966 erinnert an diese für viele Bagdader goldene Zeit. Auf einer schwimmenden Insel sitzen im Schein von Lampions Familien direkt am Tigris. „Es war das Paradies“, sagt Mehdi.

Später ließ Saddam Hussein Teile der Promenade aus Sicherheitsgründen sperren, denn direkt gegenüber liegt der Palast der Republik. Nach dem Sturz des Despoten hatte der Wirt auf eine neue Blüte gehofft. Stattdessen wurde das Herz der Straße mit seinen Hotels, UNO- und Journalistenbüros sowie Botschaftsvertretungen zur Sperrzone. Beton- und Stacheldrahtbarrikaden versperren heute den Weg. Der Rest verkam zur Müllkippe, in der Straßenkinder aus dem angrenzenden Armenquartier Betawin nach Verwertbarem suchten.

Doch das soll nun wieder anders werden. Wenn sich Bagdad jemals von seinen vielen Kriegswunden erholen soll, dann muss die Heilung in der Abu Nawas beginnen, beschloss Alaa Mahmud Tamimi, seit knapp drei Monaten Bürgermeister der Hauptstadt. Bei den Amerikanern kam er damit gut an, die prompt eine Million Dollar für das Projekt zur Verfügung stellten.

Seitdem kann man jeden Tag Ingenieure und Bauarbeiter der Ersten Kavalleriedivision am Ufer sehen, die zusammen mit Arbeitern der Stadtverwaltung Müll wegräumen, Bäume beschneiden, das Uferbankett planieren, Gehsteige, Wasserleitungen und Abwässerkanäle ausbessern. Am 1. November soll die Promenade mit einem großen Feuerwerk eröffnet werden.

Missmutig blickt Mohammed Mahdi den Soldaten bei der Arbeit zu. „Die Amerikaner sind doch der Grund für Unsicherheit“, sagt er. Dass sich daran durch die Sanierung der Abu Nawas etwas ändert, glaubt er nicht so recht. „Es ist ein schöner Traum“, sagt der Wirt. „Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben.“ INGA ROGG