Lichtblick in der Misere

Das College-Turnier der US-Basketballer ist ein Fixpunkt im amerikanischen Sportkalender. Mit Unterstützung durch Edelfan Magic Johnson zieht das von der Wirtschaftskrise stark mitgenommene Michigan ins Finale ein

Das Finale ist für den von der Autoindustriemisere gebeutelten Staat ein dringend benötigter Stimmungsaufheller

NEW YORK taz ■ Magic Johnson ist ein Elder Statesman des US-Basketballs, eine Art Franz Beckenbauer des amerikanischen Nationalsports. Johnson ist einer der besten Spieler aller Zeiten und Begründer der goldenen Ära der NBA, der 80er- und 90er-Jahre. Wenn er zu Spielen erscheint, dann tut er das statusgemäß in Schlips und Anzug und in der VIP-Box oder als Gastkommentator im TV-Studio. Am Samstagabend, beim Halbfinalspiel des nationalen College-Turniers zwischen Michigan und Connecticut, mutierte Johnson jedoch zum gewöhnlichen Fan. Im grünen Trikot seiner geliebten Michigan Spartans hüpfte er zwischen den Studenten auf der Tribüne auf und ab und feierte ihren 82:73 Sieg, als hätte er gerade selbst noch einmal einen NBA-Titel gewonnen.

Es war ein emotionaler Moment für Magic, der in seiner Collegezeit selbst ein Spartan war. Dieser Sieg hatte für die Spartans nämlich eine enorme Bedeutung: Die Finalteilnahme ist für den von der Misere der Autoindustrie so gebeutelten Staat ein dringend benötigter Stimmungsaufheller. Wenn Michigan am Montag zu Hause in Detroit, der vor sich hin verwesenden Hauptstadt Michigans, gegen die hoch favorisierten Tar Heels aus North Carolina antritt, wird das, was von Motown übrig ist, kopfstehen. „Ich hoffe, dass wir ein Sonnenstrahl für die Leute sind, eine Ablenkung und was immer wir sonst für sie sein können“, sagte Michigan-Coach Tom Izzo deshalb nach dem Sieg am Samstag. Und Point Guard Durell Summers, ein gebürtiger Detroiter, fügte an: „Wir werden dieses Ding für Detroit gewinnen. Die Stadt hat das dringend nötig.“

Magic war jedoch am Sonntag auch noch aus einem anderen Grund aus dem Häuschen. Der Finaleinzug weckte bei ihm beste Erinnerungen: Als der 20-jährige Johnson 1979, vor genau 30 Jahren, mit den Spartans gegen Indiana im Finale um die Collegemeisterschaft spielte, war das der Startschuss zu seiner einzigartigen Karriere. Für die Gegner aus Indiana stand damals der ebenso blutjunge Larry Bird auf dem Platz, und so war das Spiel eine Vorschau auf die legendären Duelle zwischen den Magic’s Lakers und den Boston Celtics um die NBA-Meisterschaft in den 80er-Jahren – eine der großen Rivalitäten der US-Sportgeschichte. Niemand hatte bis dahin geahnt, dass auf Collegeniveau so attraktiver Basketball gespielt wird. Nach dem Bird-Magic-Finale, das die Spartans souverän gewannen, wurde das College-Turnier jedoch zum Fixpunkt im Sportkalender. Die Eliminationsrunde, im Volksmund „March Madness“, wurde zum Kult und zum Megageschäft. Die TV-Rechte, die 1979 noch für 5 Millionen Dollar zu haben waren, sind gerade für 6 Milliarden über 11 Jahre an das Netzwerk CBS gegangen.

So beliebt ist die March Madness, dass selbst der Präsident sich bemüßigt fühlte, wie Magic zum Fan zu mutieren. Der Selbstspieler Obama, dessen Schwager von Beruf College-Trainer ist, lud sich ein Team des Sportsenders ESPN ins Weiße Haus, um vor laufenden Kameras höchst offizielle Tipps abzugeben. Wer denkt, dass dabei Politik keine Rolle spielte, hat allerdings weit gefehlt. Die Tatsache, dass Obama den Finalisten North Carolina als Meister vorhersagte, hatte nur zum Teil mit seinem verblüffenden Sachverstand zu tun. North Carolina ist ein Wackelstaat und fiel in der letzten Wahl Obama nur äußerst knapp zu.

Für Michigan sah Obama indes ein Ausscheiden im Viertelfinale voraus. Kein Wunder – der Arbeiterstaat wählt traditionell ohnehin solide demokratisch. Außerdem sagte Obama voraus, Kentucky würde im Halbfinale gegen North Carolina spielen. In Kentucky haben in der letzten Wahl die Republikaner dominiert, und vielleicht hoffte der Präsident, dort ein paar Wählerstimmen gutzumachen.

Jetzt will man in Michigan den Präsidententipp als falsch entlarven und die als schon sicheren Meister designierten Tar Heels düpieren. Für die von vielen schon totgesagte Stadt Detroit wäre das ein Ansporn, auf alle Unkenrufe zu pfeifen. Selbst wenn sie aus dem Weißen Haus kommen. SEBASTIAN MOLL