Dabeisein ist gar nichts

Bewerbung ohne Lobby: Zwar fände Star-Architekt Daniel Libeskind Osnabrück als Kulturhauptstadt eine gute Wahl. Doch auf Landesebene fehlt der Bewerbung die Unterstützung

Eine pro-forma Floskel, trefflich zu übersetzen mit: hübsch, dass ihr auch dabei gewesen seid

Einen angenehmen Bordeauxton hat sie ja, die Homepage: Unter www.osnabrueck2010.de steht’s Rot auf Weiß, dass sich die Stadt an der südlichen Landesgrenze Niedersachsens als Kulturhauptstadt Europas fürs Jahr der Agenda bewirbt. Nur Eingeweihten hingegen verrät sie auch, dass Osnabrück bei dem Rennen chancenlos sein dürfte: „Bis die Entscheidung gefallen ist“, so ist unter dem Link ‚Stand des Bewerbungsverfahrens‘ zu lesen, „wird die Unterstützung auf kommunaler, Landes-, Bundes- und Europaebene benötigt“.

Würde – das wäre ehrlicher gewesen. Denn auf kommunaler Ebene gibt es zwar die entsprechenden Beschlüsse. Auch hat Dagmar von Kathen als Leiterin des Kulturamtes die Bewerbung zur Chefsache gemacht. Versichert hat man sich auch eines international renommierten Fürsprechers. Der Star-Architekt Daniel Libeskind, der seine Europa-Karriere mit einem Neubau für das örtliche Nussbaum-Museum begonnen hat, wünscht der Stadt Erfolg bei ihrer Bewerbung – Osnabrück, so wird der Amerikaner zitiert, sei „eine bewegende Stadt“, und das „nicht nur wegen ihrer Geschichte“.

Trotzdem fehlt ihr noch ein entscheidender Zwischen-Schritt, um überhaupt die Europa-Ebene der Kulturhauptstadt-Entscheidung zu erklimmen. Denn die so genannte „Friedensstadt“ – mit dem gleichen Titel schmücken sich auch Augsburg und Münster für ihre Kandidatur – kann nicht auf die Hilfe Niedersachsens bauen. Bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung hatte die neue CDU-FDP Regierung festgelegt, „die Bewerbung Braunschweigs und der umliegenden Kommunen als Kulturhauptstadt Europas 2010“ zu unterstützen. Die Entscheidung über die nach Brüssel zu empfehlenden Kandidatenstädte aber fällt im Bundesrat – wo jedes Land nur einheitlich abstimmen kann. Sprich: Osnabrück bleibt außen vor.

Von Kathen sieht das freilich anders. Es gebe schließlich eine „Erklärung des Landtages, die alle niedersächsischen Bewerbungen begrüßt“, so die Kulturamtsleiterin. In der Tat, die gibt es: Sie geht zurück auf einen Antrag der SPD-Fraktion, der der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur weitestgehend beigetreten ist. Gäbe es also einen Dissens zwischen Regierung und Parlament?

Der Wortlaut des Beschlusses ist nachzulesen in der Landtagsdrucksache 15/228. Das Dokument trägt den markanten Titel „Rien ne va plus – oder welche Stadt in Niedersachsen soll es werden?“ Und der Text fällt für Osnabrück weit ungünstiger aus, als von Kathen suggeriert. „Der Landtag begrüßt“, heißt es zwar im Unterpunkt 3, „dass sich mehrere Städte Niedersachsens mit der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010 intensiv befasst haben“. Eine pro-forma Floskel, trefflich zu übersetzen mit: hübsch, dass ihr auch dabei gewesen seid. Der Glaube, dass man die Bewerbung auf dieses Schriftstück stützen könnte, erweist sich allerdings als Illusion, gespeist aus fahrlässiger Lektüre.

Im Weiteren nämlich wird festgestellt, „dass die Aussagen der Koalitionsvereinbarung 2003 bis 2008“ bezüglich der Unterstützung Braunschweigs für die gesamte „15. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtags Bestand haben“.

Man sehe keinen Anlass, von dieser Beschlusslage abzurücken, heißt es auf Nachfrage seitens des Kulturministeriums. Schließlich sei Braunschweig „aufgrund dieser Aussage in Vorleistung gegangen“. Die Frage, ob man eine Jury über die beste Bewerbung im Lande entscheiden lasse „stellt sich daher nicht“. Es stehe allerdings „jeder Stadt frei“, so der Sprecher des Ministeriums, „sich direkt beim Auswärtigen Amt zu bewerben.“ Nur müsse sie dann einen eigenständigen Finanzierungsplan aufstellen.

Andere Flächenländer, andere Sitten: Während es in Schleswig-Holstein mit Lübeck von vornherein nur eine einzige Bewerberstadt gegeben hat, versucht Nordrhein-Westfalen mit einer Landes-Jury der Kandidatinnen-Flut Herr zu werden. Auf die Kompetenz dieses Expertengremiums muss nun auch Osnabrück alle Hoffnungen setzen – weil man mit der westfälischen Nachbarin Münster „ein Pärchen“ bilde, so von Kathen. Benno Schirrmeister