„Eine Frechheit, zitieren Sie das“

Hamburg, Schleswig-Holstein und Meck-Pomm sind gut, Bremen und Niedersachsen das Gegenteil. Sagt Deutschlandradio-Intendant Ernst Elitz – und macht sich damit mehr als unbeliebt

aus Bremen Henning Bleyl

„Nirgendwo sind sie so gut behandelt worden wie bei uns, aber offenbar waren wir zu freundlich.“ Wolfgang Schneider ist sauer, wirklich sauer. So sauer, wie ein Direktor einer Bremer Landesmedienanstalt nur sein kann. Objekt des Zorns ist ein ebenfalls untadeliger älterer Herr: Ernst Elitz, Intendant von Deutschlandfunk und Deutschlandradio. Gegen ihn erwägt Schneider nach eigenen Angaben die Beantragung einer einstweiligen Verfügung wegen „wiederholter wahrheitswidriger Behauptungen“.

Elitz nämlich stellt die „medienpolitische Zuverlässigkeit des Landes Bremen in Frage.“ Während das Programm seines Deutschlandfunks (DLF, produziert in Köln) in Bremen mit 100 Kilowatt verbreitet wird, steht dem Deutschlandradio (DLR) Berlin nur ein einziges der begehrten Kilowatts zum terrestrischen Transport der Inhalte zur Verfügung. Elitz: „In anderen Bundesländern erleben wir mehr Entgegenkommen.“ Demnach unterscheide der Norden in (medienpolitische) „Sorgenkinder“ und andere. Mit Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist Elitz nämlich zufrieden.

„Das ist eine Frechheit, zitieren Sie das ruhig.“ Das war wieder Wolfgang Schneider, der erklärt: „Mit 100 Kilowatt ist der DLF bei uns geradezu überversorgt.“ Und das eine Kilowatt für das DLR sei im flachen Norden überhaupt kein Problem. Abgestrahlt vom 212 Meter hohen Bremer Fernsehturm garantiere es Empfangbarkeit in einem Radius von 40 Kilometern.

Warum also die steten Schläge in die Bremer Kerbe? Ein Blick auf den DLF/DLR-Sendeatlas zeigt die Leere im niedersächsischen Äther, vor allem in den Bremen nahen Teilen. Die Hannoveraner Landesregierung hatte seinerzeit entschieden, die starken Frequenzen an „Antenne Niedersachsen“ und „Radio ffn“ zu vergeben. Das wiederum konnten die Bremer nutzen, um sich als im wahrsten Sinne des Wortes ausstrahlende Kulturinsel zu profilieren. 30 Prozent Niedersachsens werden durch den von Bremen aus gesendeten Deutschlandfunk erreicht.

Doch das müsse reichen: „Es ist eine fixe Idee von Herrn Elitz, dass in Bremen noch etwas zu holen sei“, sagt Schneider. Für das Deutschlandradio, das ohnehin „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ stattfinde, sei in Bremen schlicht und einfach keine starke Frequenz mehr frei. Aber offenbar warte Elitz beharrlich darauf, Radio Bremen beerben zu können.

Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit versuchten die DLF/DLRler einen Fuß in die Tür zu bekommen, heißt es auch in anderen erbosten Bremer medienpolitischen Kreisen. Als geradezu pietätlos wird empfunden, dass der Intendant unmittelbar nach der Reform des Länderfinanzausgleichs, der Radio Bremen seit 2001 finanziell ins Trudeln bringt, seine Wellenwünsche offensiv vorgetragen habe.

Elitz hingegen verweist auf die staatsvertragliche Verpflichtung der Länder, eine flächendeckende Ausstrahlung der „nationalen Programme“ zu ermöglichen. Überwiegend „nicht-selbständig produzierte Programme“ – dabei hat Elitz vor allem das „Funkhaus Europa“ im Blick, das in der Tat nur zum kleinsten Teil in Bremen gemacht wird – hätten demgegenüber zurückzutreten. Zumal das Deutschlandradio eine größere Zielgruppe erreiche, wie Elitz seinereits einfließen lässt. Für anspruchsvolle HörerInnen eine paradoxe Situation: Qualitätsprogramm stichelt und steht gegen Qualitätsprogramm.

Hintergrund des Frequenzgerangels ist die Umstrukturierung von Deutschlandfunk und Deutschlandradio seit dem Fall der Mauer. Während deren Auftrag zuvor die Beschallung des Auslandes – insbesondere der DDR – war, müssen sich die Sender seit Beginn der 90er Jahre bemühen, das deutsche Binnenland flächendeckend zu versorgen. Dabei gibt es immer noch erhebliche weiße Flecken, obwohl in Freiburg/Breisgau gerade die 250. UKW-Frequenz in Betrieb genommen werden konnte.

Viele schwache Frequenzen nutzen zu müssen, sei auch ein ökonomisches Problem, betont Elitz. Die dadurch erhöhten Betriebskosten würden unweigerlich zu Lasten des Programm-Etats gehen. Dabei habe man gerade Konzepte entwickelt, verstärkt aus den Ländern zu berichten. Die dafür veranschlagte Gebührenerhöhung (der bisherige Jahresetat von DLF und DLR liegt bei 200 Millionen Euro) sind allerdings kürzlich von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) abgelehnt worden.

Dabei gäbe es in der Länderberichterstattung in der Tat Nachholbedarf. Während Berlin und Nordrhein-Westfalen naturgemäß gut versorgt sind, klagen vor allem norddeutsche HörerInnen über regionale Lücken in dem sonst hoch geschätzten Programm. Aus Hamburg gab es bislang immerhin Beiträge über Schill zu hören, außerdem verhilft die beliebte Befragung der Experten Raschke (Parteienforschung) und Steinbach (Deutsches Orientalistikinstitut) zu Hamburger Stimmen im Programm. Aus Schleswig-Holstein hingegen wird selten jemand gefragt oder gefeaturet.

Und Bremen? Da hier politisch nicht so viel passiere, habe man sich für einen kulturellen Schwerpunkt entschieden, heißt es beim Deutschlandfunk. Der konzentriert sich auf das jährlich stattfindende Musikfest, dessen rund drei Dutzend Konzerte fast vollzählig mitgeschnitten werden. Dazu stiftet der Sender seit 1999 einen Förderpreis.

Diese Repräsentanz Bremens im Deutschlandfunk – auf Kosten anderer Kulturträger – scheint fest verankert. Wozu möglicherweise auch die Tatsache beiträgt, dass Musikfest-Intendant Thomas Albert lange Jahre der Bremer Vertreter im DLF-Hörfunkrat war. Aber das wäre ein anderes Fass.