Professionell aufgemöbelt

Ob Kerzenständer, Bilderrahmen oder gleich die komplette Wohnungseinrichtung: Eine Werkstatt in Ottensen verhilft Hobby-Tischlern zu fachlichen Kenntnissen und passendem Werkzeug

von SARAH KALAGI

Umringt von seinen sechs Schülerinnen und Schülern steht Jochen Lichtenberg im Werkraum und erklärt die Eigenschaften von Hölzern. „Beim Nadelholz unterscheidet man zwischen Splintholz und Kernholz“, sagt der 38-Jährige und reicht Materialproben herum. Jeder will mal fühlen. Heute und an drei weiteren Abenden werden fünf Frauen und ein Mann so einiges über das Material Holz und seine Verarbeitung lernen. Sie alle besuchen den Grundkurs Klassische Handwerkstechniken an der Tischler-Akademie in Ottensen.

„Es gibt zwar viele Baumärkte, aber das Know-how fehlt bei vielen“, begründet Lichtenberg seine Geschäftsidee. Wie bei einer Selbsthilfe-Werkstatt für Kraftfahrzeuge will der Tischler-Geselle interessierten Laien Arbeitsmöglichkeiten und Fachwissen zur Verfügung stellen.

Für Einsteiger gibt es den Grundkurs. Hier lernt man alles über das Material und die Grundtechniken. In den weiterführenden Kursen werden dann schon Möbel gebaut. Zusätzlich kann jeder in der offenen Werkstatt Hobelbank und Maschinen für eigene Projekte nutzen – immer unterstützt vom Fachmann: „Ein Kunde“, erzählt Lichtenberg, „will sich seine ganze Wohnungseinrichtung hier bauen.“

So weit ist Jennifer Minge noch nicht. „Ich will einfach mal versuchen, es mit meinem Dad aufzunehmen“, lacht die Bilanzbuchhalterin, „der ist nämlich gelernter Schiffszimmermann.“ Unterstützt wird sie dabei von ihren beiden Freundinnen Andrea Behrens und Margot Dehn, die auch beschlossen haben, mehr und besser zu heimwerken. Der Frauenanteil in seinen Kursen „liegt bei zwei Drittel“, schätzt Lichtenberg. „Vielleicht denken Männer, sie könnten schon alles.“

Der Theorieteil zur Einführung ist vorerst vorbei, jetzt geht es an die Werkbank. Die Aufgabe: zwei Kiefernhölzer in der Mitte zu verbinden – eine so genannte Kreuzüberblattung. Bald beherrscht ein wildes Orchester aus Klopfen, Sägen und Hämmern den Raum. Jochen Lichtenberg schaut bei jedem vorbei, prüft, ob auch alles richtig läuft, und erinnert daran, dass man stets vom Körper wegarbeiten muss. „Daher sind sechs Teilnehmer die Höchstgrenze“, erklärt er. „Die persönliche Betreuung soll auf keinem Fall zu kurz kommen.“ Zwischendrin gibt es wieder Unterricht für alle. Der nächste Arbeitsschritt muss erklärt werden.

Und der bringt Jennifer Minge fast zur Verzweiflung. Die 33-Jährige stemmt mit einem Stecheisen die markierten Holzteile aus – alles splittert ihr weg. Die gebeutelte Heimwerkerin schaut ihrer Freundin über die Schulter, die hier ist, weil sie ihr englisches Puppenhaus erweitern möchte. Bei Andrea Behrens bleibt das Holz glatt. „Wie machst du das?“, will Jennifer Minge wissen. Lichtenberg weiß Rat: „Du musst das Stück tiefer ansägen.“

Die Idee, eine Tischler-Akademie zu gründen, findet Jennifer Minge „klasse“. Sie könnte sich vorstellen, hier auch mal einen Tisch für ihren Balkon zu machen. Und ihre Freundin Margot Dehn hofft, nach dem Kurs die Rahmen für ihre Bilder selber bauen zu können. Ein Handwerk, schwärmt die Grafikerin, „entspannt die Seele und hat schon beinahe etwas Meditatives“. Und „außerdem duftet Holz so schön“.

Über solche Aussagen freut sich Jochen Lichtenberg. Schließlich „soll man in erster Linie mit Spaß an der Sache lernen“, damit man nachher auch eigene Ideen umsetzten könne. „Und um meine Schüler nicht zu überfordern, achte ich auch immer darauf, wozu die Leute Lust haben!“

Jennifer Minge jedenfalls ist nach fast drei Stunden Arbeit immer noch hoch motiviert. Ihre Holzverbindung sitzt trotz anfänglicher Schwierigkeiten millimetergenau. Stolz hält sie ihr Werk hoch und fühlt sich bestätigt: „Das Talent liegt im Blut! Und als Grundgerüst für einen Kerzenständer kann man das sicherlich benutzen.“