: Wie Abu Simbel
Bauausschuss des Bezirks Mitte votiert einstimmig dafür, baufälliges Haus von 1827 im Karoviertel zu erhalten
Das Haus Marktstraße 8/9 ist schlicht, ein Produkt des Wiederaufbaus – allerdings nicht desjenigen nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern nach dem Krieg gegen Napoleon. Dessen Generäle hatten St. Pauli planieren lassen, um freies Schussfeld zu erhalten. Von dem, was auf der Tabula Rasa neu entstand, ist nicht viel mehr übrig als der denkmalgeschützte Bau von 1827. Der Bauausschuss Mitte hat sich deshalb quer durch alle Fraktionen gegen dessen Abriss ausgesprochen.
In einem Antrag für die Bezirksversammlung fordert er die zuständigen Behörden auf, sich trotz vorliegender Abriss-Genehmigung für den Erhalt des Gebäude-Ensembles Marktstraße 7-9 einzusetzen. Zu ihm gehören neben dem Vorderhaus 15 Häuschen mit Notwohnungen aus der Zeit nach dem Großen Brand von 1842 auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks. Sollte ein Abriss nicht zu verhindern sein, müsse ein in Form, Größe und Erschließung gleicher Neubau errichtet werden.
Die Chancen, dass die Marktstraße 8/9 gerettet werden kann, stehen schlecht. Unabhängige Fachleute, die das Wohnhaus im Auftrag des neuen Eigentümers untersuchten, seien zu dem Schluss gekommen, das Gebäude sei nicht mehr zu halten, sagt Luis Moreno-Fernandez vom Denkmalschutzamt. Der Mörtel im Mauerwerk habe seine Bindekraft verloren. „Die Statiker kriegten Panik“, sagt Moreno-Fernandez. Möglicherweise seien die Zuschlagstoffe für den Mörtel von schlechter Qualität gewesen oder das Wasser zu sauer. Ganz gleich, wo die Ursache liegt, zu retten sei das Gemäuer nicht. „Sie können nachfugen, Sie können aber nicht das gesamte Fugenmaterial austauschen“, sagt der Denkmalpfleger.
Die Politiker sind misstrauisch: „Das Haus hat vor drei Monaten den Eigentümer gewechselt und hat sich in dieser Zeit von einem Denkmal in ein Abrissobjekt verwandelt“, wundert sich Claudius Lieven von der GAL. Er und seine Kollegen seien „einigermaßen vergrätzt, dass das Denkmalschutzamt so schnell die Waffen gestreckt hat“. Es müsse Geld aufgetrieben werden. Lieven könnte sich sogar eine Lösung wie bei dem ägyptischen Tempel von Abu Simbel vorstellen: Abtragen und mit dem Originalmaterial wieder aufbauen. Gernot Knödler