„Arschloch“ ist kein Kündigungsgrund

Neue Runde im Streit zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und ihrem Ex-Geschäftsführer: Landgericht hat Zweifel an der Begründung der fristlosen Kündigung von Klaus Stratmann. Der hatte zuvor seinen Vorstand beschimpft

„Arschloch“, „unfähig“, „Blödmann“ – mit solchen Worten soll der frühere Geschäftsführer der Bremer Kassenärztlichen Vereinigung, Klaus Stratmann, sich im Jahre 2002 über die neuen Vorsitzenden der KV geäußert haben. Das hätten sie mit eigenen Ohren gehört, erklärten Mitarbeiterinnen, darunter die Vorstandssekretärin. Der Vorsitzende der KV, der Radiologe Till Spiro, kündigte den Geschäftsführer daraufhin fristlos, beraten von dem Arbeitsrechtler Dieter Dette, der auch heute noch meint, solche schweren Beleidigungen müsste sich ein Vorstand von seinem Geschäftsführer nicht gefallen lassen.

Muss er doch, diese Auffassung ließ das Landgericht jetzt in der mündlichen Verhandlung durchblicken. Ende des Monates erwartet Anwalt Dette das schriftliche Urteil und will in Berufung gehen, wenn Stratmann mit seiner Klage gegen seinen Rausschmiss Erfolg hat.

Das Gericht hat die beleidigenden Worte verglichen mit den sonstigen Vorwürfen, die dem Geschäftsführer gemacht wurden: Stratmann habe wesentlich dabei mitgewirkt, seinem früheren Vorstandsmitglied Andreas Rüggeberg zu einer – rechtswidrigen – Besserstellung zu verhelfen, hatte der ehemalige Verwaltungsgerichtspräsident Alfred Kuhlmann in einem Gutachten festgestellt. Nach dem Kuhlmann-Gutachten musste Rüggeberg zurücktreten. Das Erbe der Stratmann-Geschäftsführung stellte sich dann für die neue KV-Spitze so dar: Honorarverteilungskonto zugunsten der Ärzte um 3,5 Millionen Euro überzogen, ähnlich millionenschweres Defizit im Etat der KV.

Warum hat der neue Vorstand den alten Geschäftsführer nicht normal gekündigt? Die Antwort ist so schlicht wie juristisch sensationell: Der KV-Geschäftsführer hatte von dem Vorstand, an dessen „Besserstellung“ er offenbar mitgewirkt hat, einen Arbeitsvertrag bekommen, der ihn praktisch unkündbar machte. Und das, obwohl die Vorstandspositionen bei der KV Wahlfunktionen auf Zeit sind, die Ärzte normalerweise neben ihrer Praxis ausüben. Bei einer normalen Kündigung, so die Regelung im Arbeitsvertrag, hätte der frühere KV-Geschäftführer auf sein Jahresgehalt von rund 140.000 Euro ab sofort eine Rente bekommen, als hätte er noch zehn Jahre länger als Geschäftsführer gearbeitet – das wären fast 100.000 Euro im Jahr gewesen.

Dass ein Geschäftsführer, der von seinen Vorstandsvorsitzenden einen solchen Vertrag bekommen hat, dann an der rechtswidrigen Besserstellung eines Vorsitzenden mitwirkt, hat mehr als ein „Geschmäckle“. Dass im Vergleich zu den bekannten anderen Vorwürfen gegen den KV-Geschäftsführer die Beleidigungen beinahe „peanuts“ seien, spreche aber zugunsten des klagenden -Geschäftsführers, fand das Gericht. Rechtlich keine Rolle spielt dabei, dass in der Zeit, in der wegen der anderen Vorwürfe eine fristlose Kündigung möglich gewesen wäre, der von Stratmann begünstigte Rüggeberg im KV-Vorstand saß und alle Vorwürfe bestritt.

Vielleicht würde das Verfahren um die fristlose Kündigung auch anders verlaufen, wenn die Staatsanwaltschaft sich mit den Ermittlungen gegen Stratmann nicht soviel Zeit lasse würde. Obwohl die Vorwürfe aus dem Kuhlmann-Gutachten seit Dezember 2001 vorliegen, hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsakte gegen Stratmann vor einiger Zeit an die Kripo zu weiteren Ermittlungen gegeben. Stratmann ist inzwischen Geschäftsführer des Rotes-Kreuz-Krankenhauses und verfolgt bei dem Prozess gegen die KV vor allem das Interesse, sich die Altersversorgung zu sichern. kawe