Altsein selber spüren

Binnen fünf Minuten um 30 bis 40 Jahre gealtert – Reiseleiter im „Age Explore“ üben sich in der korrekten Betreuung älterer Menschen

Wie fühlt sich Altsein an? Der Münchner Reiseveranstalter Studiosus hat dies seine Reisebetreuer ausprobieren lassen. Und zwar mit einem von Meyer-Hentschel Management Consulting entwickeltem Gerät namens „Age Explorer“. Das ist ein Anzug, der die Einschränkungen des Alters simuliert und es damit jungen Menschen ermöglicht, sich in einen 70-Jährigen hineinzuversetzen. Sie proben für die „Reiseträume“, das Angebot aus dem Hause Studiosus für Menschen jenseits der siebzig.

Der dunkelblaue Anzug besteht aus einem einteiligen Überzug, der an Schultern, Beinen und Armen mit Bleigewichten ausgestattet ist; spezielle Polster in den Knien und an den Ellenbogen hemmen die Gelenkbewegungen. Zur Ausrüstung gehören ferner ein Kopfhörer, der die Höhen aus den Klängen filtert, ein spezieller Helm, der das Sichtfeld einschränkt und die Farben der Umwelt eingilbt, sowie Handschuhe, die die Fähigkeit zum Greifen einschränken und außerdem einen gichtartigen Schmerz verursachen.

Binnen fünf Minuten um 30 bis 40 Jahre gealtert, versuchten sich die Probanden auf dem Münchner Hauptbahnhof an „normalen“ Reiseaktivitäten. Eine Auskunft am Schalter zu erhalten oder eine Münze in das Schloss eines Gepäckwagens einzulegen erwies sich sehr zum Erstaunen der Teilnehmer als äußerst komplizierte Aufgabe. Den Zug zu besteigen empfanden manche gar als eine kleine Bergtour und sich hinter den Tisch eines Großraumwagens zu zwängen so anstrengend wie eine Stunde Gymnastik. Die zu Senioren gewordenen Reiseleiter mussten erkennen, das Tätigkeiten, die bis vor wenigen Minuten alltäglich und buchstäblich kinderleicht waren, nun zu einer Herausforderung wurden.

Genau diese Erkenntnis ist das Ziel des Seminars, wie Uta- Beate Grönn, die Leiterin der Abteilung Aus- und Weiterbildung beim Münchner Studienreisespezialisten Studiosus betont. „Wir wollen, dass unsere Reiseleiter die Reiseträume-Gäste kompetent betreuen können. Dazu ist es wichtig, dass sie wissen, wie sich die Gäste im alltäglichen Leben fühlen.“

Für die Reiseleiter war diese kurzzeitige Alterung eine nachhaltige Erfahrung. Als besonders starke Einschränkung empfanden sie, nicht mehr richtig hören zu können. Unangenehm und ungewohnt zugleich war auch, ein eingeschränktes Sichtfeld zu haben. Sie lernten dabei, warum es wichtig ist, viel Geduld zu haben. Dass man älteren Reisegästen zum Beispiel beim Betreten eines dunklen Raums etwas mehr Zeit geben muss, bis sich die Augen an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt haben, konnten die Reiseleiter zwar durchaus nachvollziehen, ohne die im „Age Explorer“ gemachten Erfahrungen jedoch wäre sich manch einer über die Bedeutung dessen nicht völlig im Klaren gewesen.

Auch die Erkenntnis, dass es sehr wichtig ist, zu Beginn einer Ausführung erst einmal etwas weniger Interessantes zu sagen, damit das Ohr Zeit hat, sich auf die Stimme einstellen, war für viele Reiseleiter hilfreich für die Ausübung ihres Berufs.