Kein Regierungswechsel in Sicht

Morgen wählen die Japaner ein neues Unterhaus. Sowohl die Regierung als auch die Opposition versprechen den Wählern Reformen. Außenpolitische Differenzen der Spitzenkandidaten dürften bei der Wahlentscheidung kaum eine Rolle spielen

Koizumis große Beliebtheit ist inzwischen deutlich gesunken

von SVEN HANSEN

Bei den ersten Unterhauswahlen nach seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren kann Japans Ministerpräsident Junichiro Koizumi morgen den jüngsten Meinungsumfragen zufolge mit einer Mehrheit für seine Koalition aus Liberaldemokraten (LDP), buddhistischer Komeito und Konservativer Partei rechnen. Koizumi kündigte an, selbst bei einer absoluten Mehrheit seiner LDP die Dreierkoalition fortsetzen zu wollen. Denn dies sichert ihm auch eine Mehrheit im Oberhaus. Den Termin für die Wahlen hatte Koizumi angesetzt, nachdem er im vergangenen September als Vorsitzender der LDP bestätigt worden war und sich deutlich gegen konservativere Kräfte hatte durchsetzen können.

Zwar kann am Sonntag auch die von Naoto Kan geführte Demokratische Partei (DPJ) als größte Oppositionspartei mit bis zu 166 und damit 30 Sitzen mehr als bisher rechnen. Doch wird dieses Ergebnis nicht für eine Mehrheit der 480 Sitze reichen. Zudem dürften die Gewinne hauptsächlich zu Lasten anderer Oppositionsparteien wie der Sozialdemokraten und Kommunisten gehen. Den Umfragen zufolge sind allerdings immer noch bis zu 40 Prozent der insgesamt 102 Millionen WählerInnen unentschlossen. Damit sind Überraschungen nicht ausgeschlossen.

Koizumi und Kan haben beide das Image von Reformern und unterscheiden sich innen- und wirtschaftspolitisch kaum voneinander. Beide stehen für Subventionsabbau und Privatisierungen und versprechen eine Stärkung der inneren Sicherheit.

Der Populist Koizumi hat aber das Problem, das er bei der Umsetzung vor allem von den konservativen Kräften seiner eigenen Partei blockiert wird. Das LDP-Programm für Reformen ist denn auch sehr vage gehalten. Kan betonte hingegen wiederholt: „Ich werde als Ministerpräsident die versprochenen Reformen umsetzen, während Koizumi nur davon redet.“

Koizumis anfänglich große Beliebtheit in der Bevölkerung – aufgrund seiner Nonkonformität innerhalb seines konservativen Umfeldes hatte er fast schon das Image eines Popstars – ist inzwischen deutlich gesunken. Einige Konzernmanager sprachen sich jetzt in Anzeigen für die Wahl der DPJ aus. Sie argumentierten, dass Japan aus demokratischen Gründen einen Regierungswechsel brauche. Schließlich ist die LDP seit 1955 mit Ausnahme weniger Monate ununterbrochen an der Regierung. Das behindere Reformen. Manche Medien sehen Japan bereits auf dem Weg zu einem Zweiparteiensystem.

Ihre Stärke verdankt die DPJ der Fusion mit der Liberalen Partei im September und Koizumis nur begrenzten Reformerfolgen. Für den war es schon ein Erfolg, das Gesicht seiner Parei zu verjüngen und kürzlich bei der LDP-Kandidatenaufstellung ein Höchstalter von 73 Jahren durchgesetzt zu haben. Dabei brüskierte er die ehemaligen Ministerpräsidenten Kiichi Miyazawa (84) und Yasuhiro Nakasone (85). Nakasone warf Koizumi Altersdiskriminierung und „politischen Terrorismus“ vor. Nach wie vor sind ein Drittel der jetzigen LDP-Kandidaten aber Nachkommen früherer Parlamentsabgeordneter.

Die DPJ hat ihre Hochburgen in den Größstädten, doch bei Frauen ein schlechtes Image. Eine parteiinterne Broschüre mit Tipps für die Kandidaten geht deshalb soweit, ihnen sogar das Schneiden der Nasenhaare zu raten. Für die LDP hingegen wird sich jetzt zeigen, wie weit die bisherigen Kürzungen bei öffentlichen Bauprojekten in ländlichen Regionen die dortige traditionelle Klientel verprellten. Die DPJ will allerdings noch stärker kürzen, und der LDP hilft es, dass momentan die Wirtschaft so stark wächst wie seit Jahren nicht mehr.