Viel Rauch um Raucher-Klage

Erster deutscher Schadenersatzprozess gegen Tabak-Konzern Reemtsma hat begonnen. Erfolgschancen gering

FREIBURG taz ■ Die Schadenersatzklage des 56-jährigen Rauchers Wolfgang Heine hat wenig Aussicht auf Erfolg. Der herzkranke Heine verlangt vom Tabakkonzern Reemtsma 125.000 Euro Schmerzensgeld plus 88.000 Euro Verdienstausfall. Gestern begann beim Landgericht Arnsberg der Prozess.

Heine raucht seit 1964 die gleiche Marke – Ernte 23. Inzwischen hatte der frühere Lohnbuchhalter zwei Herzinfarkte und ist Frührentner. Heine bezeichnet sich als „süchtig“, unzählige Versuche, das Rauchen aufzuhören, seien gescheitert.

Dafür machen er und sein Anwalt Burkhard Oexmann den Ernte-23-Hersteller Reemtsma verantwortlich. Die Firma habe eine Warnung unterlassen, dass beim Rauchen der suchtfördernde Inhaltsstoff Acetaldehyd entsteht. Dies sei aber schon seit 1983 bekannt. Außerdem seien dem Tabak seit 1984 Ammoniak und andere suchtfördernde Zusatzstoffe beigemischt worden. Reemtsma verweist darauf, dass die Gefahren des Rauchens allgemein bekannt seien und alle Inhaltsstoffe der Zigaretten dem Lebensmittelrecht entsprächen. Die Herzkrankheit des Klägers könne auch durch mangelnde Bewegung und falsche Ernährung ausgelöst sein.

Bisher sind in Deutschland alle Versuche von Rauchern, die Tabakindustrie für ihre Gesundheitsschäden verantwortlich zu machen, schon im Ansatz gescheitert. Wegen des erheblichen Kostenrisikos wagt niemand einen solchen Prozess ohne Zusage einer Rechtschutzversicherung. Wegen mangelnder Erfolgsaussichten haben die Versicherungen solche Prozesse bisher aber stets abgelehnt.

Auch Heine kann nur aufgrund einer Ungeschicktheit seiner Versicherung klagen. Diese hatte die Deckung der Verfahrenskosten nicht wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt, sondern weil Heine schon vor Abschluss des Versicherungsvertrages geraucht habe. Dies hält der Bundesgerichtshof jedoch für irrelevant. Denn Heine macht Reemtsma nicht für den Beginn seiner Sucht verantwortlich, sondern dafür, dass er in den 80er-Jahren, also nach Abschluss des Vertrages, nicht mit dem Rauchen aufhören konnte.

Die Erfolgsaussichten des Verfahrens prüft nun das Landgericht Arnsberg, wo gestern verhandelt wurde. Am 14. November will der vorsitzende Richter Klaus-Peter Teipel verkünden, ob das Gericht überhaupt eine aufwändige Beweiserhebung beginnt. Teipel äußerte sich gestern mit Blick auf die bisherigen Gerichtsurteile eher skeptisch.

Auch in den USA sind Schadenersatzklagen von Rauchern nicht so erfolgsträchtig, wie oft angenommen wird. In erster Instanz bekommen die Kläger zwar oft milliardenhohe Entschädigungen zugesprochen. In zweiter Instanz wurden die Urteile bisher aber in der Regel wieder aufgehoben. In einem 1998 mit 50 US-Bundesstaaten geschlossenen Vergleich verpflichteten sich die Konzerne nach Medienberichten immerhin zur Zahlung von 246 Millionen Dollar über einen Zeitraum von 25 Jahren. Das Geld geht aber nicht an betroffene Raucher, sondern an den Staat. CHRISTIAN RATH