Stoiber will die Kuh vom Eis holen

Heute suchen CDU und CSU nach einem Kompromiss im Gesundheitsstreit. Die Bayern bringen ein Mischmodell mit: kleinere Pauschale plus Minikassenbeitrag

BERLIN taz ■ Ring frei zur nächsten Runde. Heute früh trifft sich ein weiteres Unions-Trüppchen im CDU-Hauptquartier in Berlin, um einen „Kompromiss“ zur Kopfpauschale auszuhandeln. Für die CDU sind unter anderem Generalsekretär Laurenz Meyer und die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen dabei. Für die CSU treten unter anderem der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber sowie der unvermeidliche Sozialexperte Horst Seehofer an.

Was auch immer bei dem Treffen herauskommt – sollte es überhaupt je eine Einigung geben, das Ergebnis dürften wohl die Parteichefs Angela Merkel und Edmund Stoiber verkünden. Doch nichts weist bislang darauf hin, dass es dazu kommt. Zwar haben CSU-Chef Edmund Stoiber und sein Vize Seehofer in den vergangenen Tagen signalisiert, sie wollten „die Kuh vom Eis“ (Stoiber) holen.

Auch bringen die Bayern heute ein Modell mit, das sie als Kompromiss verkaufen: Es sieht eine geschrumpfte Pauschale vor, ergänzt durch einen Mini-Kassenbeitrag. Dieser würde dafür sorgen, dass weiterhin Niedrigverdiener einen geringeren Beitrag zahlen als Gutverdiener. Um, wie verlangt, die Gesundheits- von den Arbeitskosten zu entkoppeln, werden die Arbeitgeberbeiträge „eingefroren“.

Doch eigentlich sind CDU und CSU exakt so weit auseinander wie vor einem Jahr. Damals ließ Merkel sich auf dem CDU-Parteitag dafür feiern, dass sie im Gesundheitssystem den „Systemwechsel“ plant. Seither ist weder sie noch sonst jemand Gewichtiges in der CDU davon abgerückt, dass die Kopfpauschale nur funktioniert, wenn man sie „richtig“ macht. Das heißt: Der Arbeitgeberanteil an den Kassenbeiträgen wird an die Arbeitnehmer ausgeschüttet. Alle erwachsenen gesetzlich Versicherten zahlen einen Einheitskassenbeitrag von rund 180 Euro. Wer überfordert ist, bekommt einen Zuschuss vom Staat.

Von 1.000 Delegierten stimmten auf dem Parteitag drei dagegen – darunter der Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer. Damals stimmte er der CSU zu: Ein Sozialausgleich über Steuern sei nicht verlässlich. Mittlerweile hat er seine Meinung geändert: „Verlässlichkeit ist möglich. Man muss zur Einkommenssteuer einen Soli erheben“, sagte Schummer gestern zur taz.

Der „Soli“, eine Erfindung des Kopfpauschalen-Experten Bert Rürup, dürfe nur dem Sozialausgleich dienen, müsse also „zweckgebunden“ sein. Dann verschwinde er auch nicht in irgendwelchen Haushaltslöchern. Der Soli würde auch keine Steuerreform à la Union verhindern, sagte Schummer: „Man kann das Steuersystem vereinfachen und einen Soli oben drauf schlagen. Das widerspricht sich nicht.“ Er sei sicher, dass auch die CSU auf diesen Weg zu locken sei.

Wenn die CSU sich für den Soli erwärmen könnte, hätte sie dafür allerdings längst Gelegenheit gehabt. Rürup hat seine Vorschläge im Juli vorgelegt. Er rechnete auf Grundlage des heutigen Steuersystems. Einen konkurrierenden Entwurf auf Basis eines zukünftiges CDU-Steuersystems hat der Steuerexperte Stefan Homburg für die CDU errechnet.

Es ist auch diese besondere Abhängigkeit von den Wissenschaftlern, die der Union das Verhandeln so schwer macht: Einen typischen politischen Kuddelmuddel-Kompromiss würden die Experten sofort zerschießen. ULRIKE WINKELMANN