Scharfer Frustlöser

Mit dem 3:1-Erfolg gegen 1860 demonstriert HSV-Trainer Toppmöller seine Ambitionen, künftig sein Glück als Pharmavertreter zu suchen

aus Hamburg OKE GÖTTLICH

Jede direkte Frage zum konditionellen Zustands seines Teams beantwortete der HSV-Trainer ausweichend. „Ihr wisst doch, wie meine Meinung dann wieder ausgelegt wird“, äußerte er sich besorgt nach dem von der Hamburger Morgenpost ausgerufenen „Trainer-Krieg“ zwischen Toppmöller und seinem Vorgänger Kurt Jara. Angeblich hätte der Österreicher das Team nicht optimal fit hinterlassen, so der Eindruck des neuen Coaches.

Wie sonst ist es zu erklären, dass Toppmöller sich seit Amtsantritt eher als Fitnessguru betätigt? In der vergangenen Woche stellte er sich einen Sportmediziner zur Seite, der mit den Spielern Lektionen in leistungssportlicher Lebensgestaltung paukte. Neben Ausdauertraining mussten sich die Kicker wiegen lassen, ihr Blut kontrollieren lassen – „die Werte gebe ich nicht bekannt“ (Toppmöller) – und leistungsfördernde Substanzen schlucken.

Die Spieler hätten „extra scharfes Zeug“ zu trinken bekommen, um die Kohlenhydratspeicher schneller auffüllen zu können. Ganz zu schweigen von den Mittelchen, die David Jarolim und Bernardo Romeo (siehe oben stehender Text) gespritzt bekommen haben müssen, um ihre Blessuren für 90 Minuten zu vergessen. Jedenfalls waren sie die beiden besten Spieler auf dem Feld.

„Der HSV war fit genug, um uns mit 3:1 zu schlagen“, witzelte 1860-Trainer Falko Götz über die angeblichen konditionellen Defizite beim HSV, obwohl er gar nicht zum Spaßen aufgelegt war. Denn Götz hatte seine Spieler auf die einfallslose Spielweise des HSV zuvor eingestellt. Doch seine Warnung vor dem „schleichenden“ Torjäger Romeo und dem neben Jarolim einzig kreativen Mehdi Mahdavikia reichten nicht aus.

Ein ums andere mal ging nach einer langen diagonalen Flanke auf den Iraner tatsächlich Gefahr aus. In der 53. Minute entfalteten die weichen Drogen ihre Wirkung. Mahdavikia trat den Ball an den Pfosten, Romeo hielt seinen Kopf gegen den abprallenden Ball und traf zum 1:0. Das direkte Gegentor zum 1:1 konterte der HSV in der 75. und 77. Minute zum 3:1-Endstand mit einem weiteren Tor durch Romeo und einen verwandelten Elfmeter von Mahdavikia.

Als „Frustlöser“ beschrieb HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer später den Auftritt seines Teams und brachte angesichts der eingeschenkten Mittelchen den Leistungsstand beim HSV auf den Punkt. Der erste Erfolg unter Trainer Toppmöller könnte durchaus arzneitypische Folgen für das Team entfalten.

Um die Wirkung seiner Zaubertränke zu steigern, will Toppmöller bereits frühzeitig mit dem Team nach Köln reisen. Dort soll sich das Team mit Ausdauerläufen akklimatisieren, um nach beinahe zwölf Monaten ohne Auswärtserfolg den Weg zur guten Besserung zu finden. Am besten man hält es wie HSV-Masseur Hermann Rieger: „Ein Sieg macht fitter als jede Bewegung.“