Sparen nach Gesetzestext

Nach dem Verfassungsgerichtsurteil könnte sich der Senat auf eine Haushaltsnotlage berufen. Das Problem: Alles, was nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, bekommt kein Geld mehr. Fünf Szenarien

kitas und krippen

Situation heute: Berlin unterhält derzeit 32.000 Kita-Plätze für Kinder von null bis drei Jahren. Das entspricht einem Versorgungsgrad von 45 Prozent. Dazu kommen 61.583 Plätze für Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Jeder Kita-Platz kostet pro Jahr rund 9.500 Euro, jeder Kindergartenplatz rund 7.000 Euro.

Rechtlicher Anspruch: Laut Bundesgesetz hat jedes Kind zwischen drei und sechs Jahren Anspruch auf vier Stunden Betreuung pro Tag. Für die Kinder zwischen null und drei Jahren besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Betreuung.

Folgen aus dem Gerichtsurteil: Theoretisch könnte sich das Land aus der Finanzierung von Betreuungsangeboten zurückziehen, die über die gesetzliche Regelung hinausgehen. Das würde bedeuten, dass Betreuung für Kinder zwischen drei und sechs, die über vier Stunden hinausgeht, gestrichen wird. Auch die Kinder von null bis drei müssten privat betreut werden.

schulen

Situation heute: Momentan gibt es 32.064 Lehrer in Berlin, die 356.115 Schüler an allgemeinbildenden Schulen betreuen. Dazu kommen 14.283 Vorschulplätze und 34.517 Hortplätze für die Betreuung nach der Schule.

Rechtlicher Anspruch: Zwar hat jedes Kind ein Recht auf Bildung, aber die Bildungssituation ist nicht gesetzlich geregelt. Das heißt: Es gibt keine maximale Klassenstärke oder eine Regelung, wie viele Lehrer mindestens für eine bestimmte Schülerzahl zur Verfügung stehen müssen. Es besteht außerdem kein gesetzlicher Anspruch auf Betreuung außerhalb des Schulunterrichts.

Folgen aus dem Gerichtsurteil: Vertraglich waren 388 neue Stellen in Kindertagesstätten und Schulen geplant. Die stehen jetzt erst einmal zur Disposition. Die Gewerkschaft Ver.di hält diese Vereinbarung für eine rechtliche Verpflichtung, die auch trotz der Haushaltssperre nicht rückgängig gemacht werden dürfe.

sozialhilfe

Situation heute: Ende des zweiten Quartals haben 265.818 Menschen die so genannte Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen. Das kostete den Senat im ersten Halbjahr 2003 rund 482 Millionen Euro. Die Quote der Sozialhilfeempfänger ist in Berlin mit 7,7 deutlich höher als im Rest des Bundesgebiets (durchschnittlich 3,3 Prozent).

Rechtlicher Anspruch: Der Anspruch auf Sozialhilfe ergibt sich aus dem Bundessozialhilfegesetz – danach müssen sich die Landesgesetze richten. Trotzdem variieren die so genannten Regelsätze für freiwillige Leistungen in den verschiedenen Bundesländern, in Berlin ist das etwa die Zahlung eines pauschalen Weihnachtsgelds oder der Telebus.

Folgen aus dem Gerichtsurteil: Keine unmittelbaren Folgen, da der Anspruch auf Sozialhilfe gesetzlich geregelt und damit keine freiwillige Leistung ist. Kürzungen können nur bei Begleitmaßnahmen erfolgen, etwa bei Berufseinstiegshilfen. ANN

polizei

Situation heute: Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat Berlin mit 26.931 Polizisten eine sehr hohe Polizeidichte. Auf 1.000 Einwohner kommen 4,9 Polizisten. Für die polizeilichen Aufgaben sind im Haushaltsentwurf 2004 knapp 1,2 Milliarden Euro vorgesehen – das sind 500 Millionen mehr als im Bundesdurchschnitt.

Rechtliche Situation: Die „Gewährleistung der inneren Sicherheit“ gehört zu den Kernaufgaben des Staates. Allerdings wird nicht weiter definiert, wie dies konkret auszusehen hat. Deshalb streiten sich Land und Gewerkschaft der Polizei (GdP) um die angemessene Zahl der Polizisten.

Folgen aus dem Gerichtsurteil: Keine unmittelbaren Folgen. Schon beschlossen sind Einsparungen von 1.450 Stellen im Polizeivollzugsdienst und 992 Stellen im Polizeiverwaltungsamt. Der Rechnungshof will sogar weitere 4.800 Polizeistellen abbauen. Diese Zahlen sind umstritten – klar ist aber, dass es mehr Stellen nicht gibt. PLU

szene für off-kultur

Situation heute: Berlin verfügt über eine breite Off-Theater- und Kulturszene, deren Förderung in den vergangenen Jahren kontinuierlich heruntergefahren wurde. Zurzeit macht die Subventionierung rund sieben bis neun Millionen jährlich aus.

Rechtlicher Anspruch: Einen bundesrechtlichen Anspruch auf Kulturförderung gibt es nicht. Bereits getroffene Vertragsvereinbarungen müssen aber eingehalten werden.

Folgen aus dem Gerichtsurteil: Sind relativ konkret. Weil das Urteil den laufenden Haushalt für nichtig erklärte, gilt derzeit eine Haushaltssperre. Bezahlt wird demnach nur, was bislang vertraglich vereinbart wurde. Endet eine Förderung etwa am 31. Dezember dieses Jahres, treffen die Verwaltungen zurzeit keine Zusagen über eine Weiterförderung. Betroffene Projekte hängen somit in der Luft, die Mitarbeiter müssen sich nach der Hartz-Reform deshalb schon jetzt beim Arbeitsamt melden.

ROT