Lieblich, bescheiden

Frauen bekommen in der Weinwelt exklusiv eine eigene Kategorie von Weinen verpasst. Fließt ein Rebensaft süß, lieblich, einfach und bescheiden durch die kritische Kehle, erklärt man diese gern zum „Frauenwein“. Die namentliche Bindung ans Geschlecht impliziert: Harmlos, unbedeutend sei der Tropfen – und seine Genießerin im Grunde unwissend. Dass das Beste gerade gut genug sei, gilt nur für männliche Konsumenten?

Dessertweine wie den Pommeau kann das Verdikt treffen oder den toskanischen Vinsanto. Weil Frauen eben süß, lieblich, einfach und bescheiden sind – sein sollen? Weil sie sich mit wenig zufrieden geben? Weil ihnen Männer in jeder Hinsicht, auch in punkto Geschmack, voraus sind? Pfui! Das alles mag Weintrinkerin heute nicht mehr hören.

Frauen kaufen mehr Wein, auch für den Alltag, aber sie meiden die bei Männern so beliebten Touren, auf denen entlegene Güter bereist, der Wein umständlich degustiert und geschwätzig diskutiert, die Flaschen dann stolz in den Kofferraum gewuchtet werden. Dafür kaufen Frauen Wein eben gern mal im Supermarkt, wo Kellereien auch ansprechende Tropfen anbieten.

Ansprechend ist süßer Geschmack für Frauen scheinbar wirklich. Das Urteil „Frauengetränk“ trifft schließlich auch Tropfen, die mit Trauben wenig zu tun haben Zuckercocktails in tropischen Farben oder schwach alkoholische Mischgetränke. Empirische Beobachtung oder lässt sich dafür gar eine genetische Ursache vermuten? Die Urteilskraft jedenfalls kann auch der Frauenwein den Damen nicht absprechen. Christina Fischer, Sommelière des Jahres 2001, sagt: „Frauen können aus dem Bauch heraus Wein oft viel besser beurteilen als Männer.“ Ursprünglich gab der deutsche Jahrgang 1917 dem „weiblichen Wein“ seinen Titel. Die Lese damals geriet nicht nur feinblumig und lieblich. Durch den Krieg waren es auch Frauen, die die Trauben allein ernteten und vinifizierten.

Das Verdikt Frauenwein lässt sich aber auch ironisch wenden. Die Winzerfrauen Maria und Gaby Kerschbaumein – ein „Power-Frauen-Duo“ im Blaufränkischland – nennen ihr liebliches Getränk für „gehobene feminine Ansprüche“ mit seiner „weichen, runden, leicht zugänglichen“ Cuvee schlicht-plakativ: „Women“. JGR