schmickler macht ernst
: Visionen für Millionen

WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

Es ist nicht zum Aushalten: Bei strahlendem Sonnenschein wirbelt Sturmtief „Zissi“ laue Frühlingsluft aus Spanien ins herbstliche Köln, der Kollege Gottschalk ist damit beschäftigt, bei einer Schale (!) Tee seinen Winterpullover auszuleiern und der einstige Oberstadtdirektor Lolo Ruschmeier räkelt sich nach der Einstellung seines Verfahrens wegen Falschaussage genussvoll in seinen Erinnerungslücken. Die ganze Stadt macht einen auf goldigen Oktober und trödelt sich durch die Herbstferien.

Die ganze Stadt? Nein, es gibt da einen Mann, der kennt „kein Vertagen und kein Wegtauchen“, der ist Tag und Nacht damit beschäftigt, die Weiterentwicklung Kölns als Wirtschaftsmetropole weiter zu entwickeln, die Sicherung des Kulturstandorts zu sichern und „unbequeme Wahrheiten“ schonungslos auszusprechen. Und dieser Mann ist: jawoll, der Schrammafritz! Während sich die Mitglieder der Ratsfraktionen nach all den anstrengenden Gesprächen der letzten drei Wochen erst einmal bis zum 2. November in Urlaub geschickt haben, ackert der oberste Stadtkümmerer ununterbrochen, um seinen ganz persönlichen Traum von einem gesunden, sauberen und komplett in Stand gesetzten Köln zu verwirklichen.

„Eine Millionenstadt wie Köln kann es sich nicht leisten, zwei Wochen Betriebsferien zu machen!“ Klatsch! Das hat gesessen. Mitten rein in die vergnügungssüchtige Zwölf der Laumänner und Drückeberger. Und derweil die Damen und Herren der großen Urlauber-Fraktion die herbstlichen Weinwanderwege ablatschen, macht der unermüdliche Oberbürgermeister den großen Schritt in die große Zukunft und stellt in nur 100 Minuten der staunenden Öffentlichkeit seinen sensationellen „Fünf-Jahres-Plan“ vor. Einen Plan, den die Bild-Zeitung ehrfurchtsvoll kommentiert mit den Worten: „Da sage einer, unser Oberbürgermeister habe keine Visionen.“

Da wird gefördert und erweitert, umgestaltet und flexibilisiert, entlastet und bewältigt. Auf wirklich allen Ebenen. Meine persönliche Lieblingsvision ist die von den 500 Baugrundstücken, die jährlich ausgewiesen werden sollen für „500 gut verdienende Familien, die hier Steuern zahlen und 500 Häuser, die dem Handwerk Aufträge bringen.“ Auch die Sache mit dem „Wirtschaftsbotschafter“ finde ich mehr als originell: Meine Damen und Herren, hier kommt seine Exzellenz der Kölner Wirtschaftsbotschafter. Viva Colonia! Klatschmarsch! Tusch! Rakete!

Nur wie er seine Wahnsinns-Visionen finanzieren will, verrät Super-Schramma nicht. Aber offenbar hat er noch einen geheimen Geldhahn, doch: „Wenn ich diesen Hahn bereits jetzt öffne, wecke ich bei der Politik Begehrlichkeiten, die nur den Sparwillen lähmen.“ Ja, so ist sie, die Politik: kaum geweckt, schon wieder gelähmt, also den Hahn erst einmal geschlossen halten. Oder wie Wolfgang Clement sagt: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen!“