Japan hat Bärenhunger

Die Wirbelstürme in Japan haben auch das Futter von Bären vernichtet. Daher greifen sie nun Menschen an

Der Bär, der diesen Mittwoch durch das Einkaufsviertel des japanischen Ortes Kamiichimachi tappte, entschied sich für ein Kimonogeschäft. Dort fiel er über den 77-jährigen Ladenbesitzer und dessen Schwiegersohn her. Beide erlitten Kopfverletzungen, das Tier entkam. Ein anderer Bär überraschte eine Frau beim Wäscheaufhängen, ein weiterer tauchte in einem Altersheim auf. Und Kinder schellen auf dem Schulweg mit Glöckchen, um die Tiere zu verscheuchen.

Die Behörden melden dieses Jahr einen rasanten Anstieg von Angriffen japanischer Schwarzbären, Tsukinowaguma genannt. Mehr als 90 Menschen wurden bisher verletzt. Im August fand die Polizei in Nagano einen toten Mann. Er trug Spuren einer Bärentatze im Gesicht. Verschont geblieben von der Bärenplage ist lediglich die südlichste Insel, Kyushu, und die nördlichste, Hokkaido.

Als Jäger in Toyama einen Angreifer erledigt hatten und ihn zerlegten, kamen sie der Ursache für die Aggression der Bären auf die Spur: Der Magen war lediglich zu einem Drittel gefüllt, weit weniger, als in dieser Jahreszeit üblich. Im September beginnen die Bären damit, sich Vorräte für den Winterschlaf anzufressen. Naturschützer in der Provinz Kobe baten daraufhin Baumbesitzer in der Folge um Futterspenden. Sie wollten verhindern, dass die Bären abgeschossen werden. Die nahe liegende, aber falsche Lösung, sagen sie. Denn die Bärenpopulation habe in Japan keineswegs zugenommen. Zugenommen haben in diesem Jahr nur die Wirbelstürme. Die Taifune vernichteten auch Früchte wie Beeren und Nüsse, von denen sich die Bären ernähren.

Die Futtersammler von Kobe verteilten daher Kisten in den Bergen, in der Hoffnung, dass die Bären dann nicht mehr aus Hunger in Dörfer und Städte kämen. Und die Naturschützer hatten mit der Aktion Erfolg. Sogar so großen Erfolg, dass sie die Sammelaktion nach kurzer Zeit wieder einstellen mussten. Die japanische Bären- und Waldvereinigung erhielt sofort 200 Behälter voll mit Eicheln.

MARCO KAUFFMANN