Und Silvester im Plus

„Wir haben nicht einfach unser Tafelsilber verscherbelt“, sagt der Bürgermeister

aus Rednitzhembach KLAUS WITTMANN

Die Schüler von Rednitzhembach bei Nürnberg leben tagsüber auf einer Insel. Ihre frisch renovierte Schule mit der Turnhalle im ersten Stock wird umspült vom Flüsschen Rednitz. In den höheren Klassen wird den Schülern klar, dass die ganze Gemeinde eine Art Insel ist. Das liegt an den Gemeindefinanzen.

Ganz Deutschland jammert. Bäder werden geschlossen, Vereinszuschüsse gestrichen. Den Kommunen fehlt das Geld für dringend nötige Projekte. Das hat man auch in Rednitzhembach schon gehört, aber in der kleinen Gemeinde in Mittelfranken wird nicht mitgejammert. Bis Jahresende wird hier die Verschuldung auf null zurückgefahren, Silvester werden die 7.000 Einwohner im Plus feiern können.

Im Rathaus – außen Backstein, innen viele Pflanzen – gibt es einen neuen Sitzungssaal und viele Flachbildschirme. Bürgermeister Jürgen Spahl führt hier das Regiment. Den SPD-Vorgänger hat der parteilose 44-Jährige vor siebeneinhalb Jahren abgelöst. Beim letzten Mal wurde er, trotz Gegenkandidaten, mit 85 Prozent wiedergewählt. Spahl ist ein Entscheider, der gern über seine Arbeit spricht. Selbstbewusst hat er das Notebook vor sich aufgebaut und startet eine PowerPoint-Präsentation. Im Schnelldurchlauf skizziert er sein Gemeindefinanzierungskonzept –„made by Spahl“.

Das hat er schon oft getan in den letzten zwei Jahren – seit sich in deutschen Bürgermeisterkreisen herumgesprochen hat, was da in Mittelfranken vor sich geht. „Vergangene Woche war ein Kollege aus Oberbayern da, davor einer aus Hessen und davor einer aus Brandenburg. Alle kommen zu uns, um sich zu informieren.“

Spahls Konzept kennt keine finanziellen Sorgen. Im Gegenteil: kürzlich wurde auf der Gemeinderatssitzung über den Neubau einer Tiefgarage und eines Rathauses diskutiert. „Wir können uns das leisten“, sagt der Bürgermeister. Dabei war Rednitzhembach noch vor einigen Jahren eine der am höchsten verschuldeten Gemeinden. Von einer Insel der Seligen will Spahl trotzdem nicht sprechen: „Wer nicht jammert, bekommt nichts, das wissen Sie doch“, sagt er.

Öffentliche Liegenschaften verschlingen einfach zu viel Geld, das ist das Problem, erläutert der Sparmeister. Er ist Diplomverwaltungswirt, er kennt sich damit aus. Er weiß, wenn eine Kommune baut, dann liegen die Kosten in schöner Regelmäßigkeit um mindestens zwanzig Prozent über dem, was private Auftraggeber dafür zahlen. Aber das muss nicht sein. „Wir haben unser Tafelsilber nicht einfach verscherbelt, sondern sämtliche Liegenschaften an eine Fremdfirma vergeben“, sagt Spahl. Das ergab schnell zehn Prozent Kostenersparnis. Außerdem haben sie die Gemeindewerke-GmbH gegründet.

Mit Hingabe erklärt Spahl sein Konzept, zeigt Grafiken und jongliert mit Zahlen – der Schuldendompteur von Rednitzhembach. „Wir müssen nach öffentlichem Vergabewesen immer den Günstigsten nehmen, dürfen aber mit dem nicht nachträglich verhandeln, über Skonto oder Ähnliches.“ Außerdem könne eine Kommune keine Vorsteuer geltend machen. Genau das werde mit der gemeindeeigenen GmbH umgangen – ganz legal, wie er versichert. Auch das bayerische Innenministerium bestätigt, dass dieses Konzept nicht zu beanstanden sei und die Gemeinde „sehr gute Kennzahlen“ habe.

„Kommen Sie mal mit“, fordert der Rathauschef. Eilends geht es die Treppe hinab, quer über den Friedhof zu einem neuen, hellen Gebäude. Mit seinem Generalschlüssel sperrt Jürgen Spahl die hochmoderne Aussegnungshalle auf. „Da, guter Marmor, ordentliches Material. Schätzen sie mal, was uns das gekostet hat.“ Nein, keine Million, wie veranschlagt, mit 500.000 Euro ist die Gemeinde hingekommen.

Doch es sind nicht nur die ausgehandelten Preisnachlässe, die die Gemeindefinanzen entlasten. Überall wird eingespart, nur nicht im Sozialbereich. Auch die befürchteten Entlassungen habe es nicht gegeben. In Rednitzhembach wurde einfach ein großer Teil der 43 Gemeindebediensteten von Vollzeit auf Teilzeit umgestellt. „Das ist in Abstimmung mit dem Personalrat und den Betroffenen geschehen“, versichert Spahl. Das bringt jährliche Einsparungen von rund 325.000 Euro.

Ein bisschen viel Wind mache ihr Chef um sein Finanzkonzept, verrät eine Mitarbeiterin später hinter vorgehaltener Hand. Dass es gut funktioniert, gibt auch sie zu. Dafür müsse aber jeder spürbar mehr arbeiten als früher. Und als der Chef noch Chef des Bauamts war, da habe er längst nicht so sparsam gewirtschaftet.

Diese Art von Kritik lässt den Bürgermeister kalt. Auch dass seine Amtskollegen in der Nachbarschaft von seiner Reformmethode bislang wenig wissen wollen, stört ihn nicht. Spahl weiß, dass sich ein solches Konzept in einer kleinen Gemeinde leichter umsetzen lässt als im hoch verschuldeten Nürnberg. Aber er weiß auch: „In jeder Gemeinde ist Luft drin, da kann man immer etwas machen.“ Vielleicht war es ja Glück, dass der einst größte Gewerbesteuerzahler schon seit sieben Jahren nicht mehr zahlt und der kleine Ort früher als andere auf die Geldnot reagieren musste.

Aktuelles Beispiel: der sündteure Straßenbau. In Rednitzhembach wird derzeit eine 450 Meter lange Gemeindestraße saniert. Der Kostenvoranschlag des Ingenieurbüros lag bei rund 500.000 Euro, davon wären 400.000 auf die Anwohner umgelegt worden. „Aber statt die Straße auzukoffern, lassen wir den Unterbau, wie er ist, und verstärken nur den Oberbau“, erklärt Spahl. Zum einen würde das genauso zwanzig Jahre halten und zum anderen wisse kein Mensch, ob die Straße nicht schon früher wieder aufgerissen werden müsse. Kostenpunkt jetzt: 88.000 Euro – Belastung für die Anwohner: null.

Kein Wunder, dass im Ort allenthalben große Zustimmung zur Gemeindepolitik zu hören ist. Als das schwäbische Gersthofen vor drei Jahren mit großem Tamtam ein 100-Mark-Geschenk an die Bürger verteilte, wurde in Rednitzhembach in aller Stille ein wahres Füllhorn ausgeschüttet. Eine Million Mark wurde an die Bürger zurückerstattet, die für Kanalsammler und Überlaufbecken Jahre zuvor kräftig zur Kasse gebeten worden waren.

Auch sonst tut sich einiges in Rednitzhembach. Seit einiger Zeit wird die Gemeinderatssitzung live im Internet übertragen. Sogar ein Sponsor wurde schon gefunden. Eine Übertragung kostet nur rund 200 Euro. Dieses Geld sei das Projekt allemal wert, findet Bürgermeister Spahl. Es sei, schneller noch als sein Finanzkonzept, schon nach dem ersten Test vor einigen Wochen auf großes überregionales Interesse gestoßen. Während sonst nur drei bis fünf Zuhörer in eine Sitzung kommen, gab es schon beim ersten Test mehr als 320 User.

„Haben sie noch etwas Zeit?“, fragt der Bürgermeister und bittet zu einer kleinen Rundfahrt durch Rednitzhembach. Das macht er oft. Unermüdlich ist er in der Gemeinde unterwegs und spricht mit den Leuten. Seit über sieben Jahren absolviert er Hausbesuche. Begleitet wird er dabei meist von einem Gemeinderat, immer aus einer anderen Fraktion. „Da bekomme ich oft sehr gute Anregungen“, sagt Spahl. Schließlich sei nicht alles, was in seiner Gemeinde besser funktioniere als anderswo, auf seinem Mist gewachsen.

Aber einiges schon. Und darum ist der Bürgermeister auf den neuen Kunstweg durch seine Gemeinde fast genauso stolz wie darauf, dass im neuen Haushalt kein Cent für Zinsen eingeplant werden muss. Als er für ein Foto forsch eine Metallstatue besteigt, kommt ein Radler mit Mütze vorrüber. „Da braucht ma net au no Fotos macha, des Zeug ghört abgrissa!“, mault der. Spahl schüttelt den Kopf und sagt nur: „Der ist nicht von hier. Den kenn ich, der ist aus Schwabach.“