Frankreich baut neuen Atomreaktor

Der staatliche Stromkonzern EDF will bis 2012 ersten Meiler vom Typ EPR im Land bauen. Als Standort setzte sich Flamanville durch – ein nuklearfreundlicher Ort an der normannischen Küste. Und es soll nicht das letzte neue Atomkraftwerk sein

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Flamanville. Den Ort an der normannischen Küste sollte man sich merken. Hier, wo schon ein Atommeiler arbeitet, soll im Jahr 2012 der deutsch-französische „Atomreaktor der Zukunft“ in Betrieb gehen: der von Framatome und Siemens gemeinsam entwickelte Europäische Druckwasser-Reaktor (EPR). Diesen Standort wählte der Verwaltungsrat des französischen Strommonopolisten EDF nach monatelangen Beratungen vorgestern aus.

Die atomfreundliche Haltung der örtlichen Bevölkerung und Steuernachlässe in Höhe von 55 Millionen Euro, mit denen die Region lockte, gaben wohl den Ausschlag für Flamanville. Der Ort setzte sich gegen das ebenfalls an der normannischen Küste gelegene Penly und gegen den südfranzösischen Standort Tricastim durch. Gegen Penly sprach der Widerstand aus den Reihen der örtlichen Grünen und SozialdemokratInnen – darunter auch Ex-Premier Laurent Fabius. Der keineswegs antiatomar eingestellte Sozialdemokrat nennt das EPR-Projekt „noch nicht ausgereift“. Gegen Südfrankreich sprach dagegen das Klima. Im Hitzesommer 2003 mussten dort die AKWs ihre Produktion drosseln mangels ausreichender Kühlung durch die Flüsse.

Frankreichs Premierminister Jean-Pierre Raffarin hatte den prinzipiellen Rahmen für neue AKWs schon vor Monaten mit einem neuen Energierahmengesetz geschaffen. Bereits jetzt stammt 85 Prozent des französischen Stroms aus Atomkraft. Der erwartete Anstieg des Energiekonsums soll ebenfalls mehrheitlich mit Atomstrom befriedigt werden. Ein wesentliches Argument in der Debatte war der hohe Ölpreis. Fast alle Parteien erklärten, mit Atomstrom sei Frankreich erstens „unabhängig“ und respektiere zweitens die Regeln von Kioto, weil dieser Strom kaum Treibhausgase erzeuge.

Der Bau des EPR soll 2007 beginnen und binnen fünf Jahren fertig sein. Die Baukosten werden zwischen 3 und 3,3 Milliarden Euro veranschlagt. Anschließend soll der Reaktor der Welt „die französische Fachkenntnis im Nuklearbereich zeigen“, erklärt EDF-Chef Pierre Gadonneix. Der EPR ist eine Weiterentwicklung, aber keine radikale Veränderung klassischer Reaktortypen. Er wird etwas mehr Strom und etwas weniger Atommüll produzieren als klassische Meiler und soll 60 statt 40 Jahre in Betrieb bleiben können.

Als erster Kunde hat Finnland vor einem Jahr einen EPR geordert. Mittelfristig spekulieren Framatome und Siemens vor allem auf China, auch wenn Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac bei seinem China-Besuch vor wenigen Tagen keinen Meiler verkaufen konnte. Langfristig hoffen die EPR-Bauer auch auf den europäischen Markt. „Fast alle großen Länder der EU erzeugen Atomenergie“, erklärt EDF-Chef Gardonneix, „in 25 Jahren müssen sie die Hälfte ihrer Kraftwerke erneuern.“ Vorerst allerdings ist Frankreich international völlig isoliert. Es ist das einzige Land, das stur auf den Ausbau seines Atomparks setzt. Im Inneren Frankreichs sind die Stimmen gegen diese atomare Option weiterhin in der Minderheit.