Keine Kinder, keine Kohle

Neue Rentenpläne der CSU wollen Kinderlose benachteiligen. Der Vorschlag ruft Empörung hervor. Denn Biologie, Lebenswege und Schicksal dürfen niemals politisch belohnt oder bestraft werden

von BARBARA DRIBBUSCH

Elke Vandenberg ist empört und ein bisschen müde. Wie es eben so geht, wenn man lange gekämpft und gelitten hat und jetzt auch noch von der Politik eins draufkriegt. „Wir sind doch schon gestraft genug, weil wir keine Kinder haben können“, sagt die 40-jährige Verkäuferin, „und jetzt sollen wir auch noch dafür bezahlen.“

Vandenberg ist Vorstandsmitglied des Berliner Vereins „Wunschkind“, in dem ungewollt Kinderlose Trost und Hilfe finden – und sie steht fassungslos vor dem CSU-Rentenvorschlag, der Kinderlose künftig schlechter stellen will als Eltern.

CSU-Chef Edmund Stoiber ist derjenige, der das Fass wieder aufgemacht hat. Er wolle erreichen, dass Eltern eine „zusätzliche Art Kinderrente bekommen“, hatte Stoiber gesagt. Eltern sollten pro Sprössling später 100 Euro mehr Rente im Monat erhalten, gleichzeitig aber weniger Beiträge zahlen. Für Kinderlose würde dieses Konzept zu einem Minusgeschäft – sie bekämen im Vergleich zu den Eltern weniger Altersruhegeld, obwohl sie mehr eingezahlt haben.

Die CSU-Pläne knüpfen an eine Diskussion an, die zuletzt vom Chef des Wirtschaftsinstituts ifo, Hans-Werner Sinn, angeheizt wurde. Sinn hatte im März dieses Jahres beklagt, dass unser Sozialsystem zu viele „Fehlanreize“ biete, um kinderlos zu bleiben. Deswegen müssten Kinderlosen „erhebliche Rentenkürzungen“ zugemutet werden. CDU-Chefin Angela Merkel fand damals lobende Worte für den Sinn’schen Vorschlag, bis sie von ihren Parteikollegen energisch zurückgepfiffen wurde. Doch das Thema verschwand nicht von der Tagesordnung – denn hier köcheln jede Menge Ressentiments.

Kinderlose werden dabei in das immer gleiche Klischee der asozialen Luxusmenschen gepresst. Ifo-Chef Sinn, sonst eher als neoliberale Krawallschachtel bekannt, erklärte beispielsweise: „Heute entsteht aus der Kinderlosigkeit ein massiver materieller Vorteil. Der neue Golf und der Urlaub auf den Malediven können mit dem Geld finanziert werden, das bei der Kindererziehung eingespart wurde oder das die Frau hinzuverdienen konnte, weil sie sich statt für Kinder für eine Berufstätigkeit entschied.“

Golf! Malediven! Die Wirklichkeit vieler Kinderloser sieht anders aus: Jedes siebte Paar, so schätzen Experten, ist heute ungewollt kinderlos. Das Geld für den Malediven-Urlaub wird oftmals in teure Behandlungen gesteckt, denn die Patientinnen müssen für In-vitro-Fertilisationen tausende von Euro zuzahlen. „Kinderlosigkeit ist ein medizinisches Problem“, sagt Vandenberg.

Das gilt jedoch nicht für alle. Jede vierte Frau bleibt heute ohne Nachwuchs, und oft ist dies eine Mischung aus Schickal und freier Entscheidung. Das Kinderkriegen wird hinausgeschoben, in der entscheidenden Phase ist dann vielleicht kein Partner da, oder man befürchtet, aus dem Berufsleben herausgekantet zu werden. Mit Luxus haben diese Entscheidungen nichts zu tun – „wenn das Leben für Leute mit Kindern leichter wäre, die Betreuung besser, dann würden mehr Frauen Nachwuchs bekommen“, glaubt Corinna Onnen-Isemann, Soziologin an der Universität Regensburg.

Während Kinderlose als Luxusmenschen abgestempelt werden, gelten Familien neuerdings als Lastesel der Nation. Mütter verdienen weniger, die Eltern kriegen demzufolge später weniger Rente, und das, obwohl sie Nachwuchs großziehen, der die Renten der Kinderlosen künftig zahlt. Wegen dieser Ungerechtigkeit gehe das CSU-Konzept „in die richtige Richtung“, lobt das Heidelberger Büro für Familienfragen.

Doch auch diese Rechnung weist Mängel auf. Würden alle Kinderlosen wie Selbstständige nur privat ansparen, hätten sie später genug fürs Alter, auch ohne gesetzliche Rente. Wer aber würde von einem allein stehenden Selbstständigen einen Sozialbeitrag verlangen, als Ablasszahlung für seine Kinderlosigkeit? Niemand – es wäre absurd.

Individuelles Schicksal, Biologie und Lebensentscheidungen dürfen im privaten Klatsch zwar durchgehechelt, in der Politik aber niemals bewertet, belohnt oder bestraft werden. Das spüren auch viele Politiker. Die FDP- und CDU-Vertreter haben bereits gegen den Stoiber-Vorstoß protestiert. Er hat keine Chance.