„Keine unzumutbare Härte“

Die Kölner Ausländerbehörde sieht im Falle der drohenden Abschiebung der Familie Horuz keinen Ermessensspielraum. Unterstützerkreis hofft auf Härtefallkommission

Köln taz ■ Darf man Kinder, die in Köln geboren sind und hier zur Schule gehen, in ein Land abschieben, das sie nicht kennen? Der Fall der kölsch-türkischen Familie Horuz zeigt, dass das rein rechtlich möglich ist, „weil das gültige Ausländerrecht keine Einzelfallgerechtigkeit kennt“, wie Reinhard Hocker sagt. Der Leiter der „Beratungsstelle Unterstützerkreis für von Abschiebung bedrohte Kinder und Jugendliche e.V.“ hat daher alle Hebel in Bewegung gesetzt, um der Familie Horuz zu helfen.

Seit 25 Jahren lebt das türkische Ehepaar in Köln, ihre acht Kinder sind hier zur Welt gekommen, der älteste Sohn ist schwer krank und ein Pflegefall, die fünf jüngsten im Alter von 11 bis 18 Jahren gehen noch zur Schule (taz berichtete). Aber weil der Vater seit Jahren arbeitslos ist, will die Kölner Ausländerbehörde die ganze Familie, bis auf die älteste Tochter, abschieben.

Behördenstarrsinn

Dieser Behördenstarrsinn ist für Hocker unfassbar: „Damit würden die Lebenschancen der Kinder dramatisch gestört.“ Ihre Integration in das türkische Bildungssystem hält er für unmöglich. Zum einen seien die Schulen dort völlig anders strukturiert und nicht auf „Rückkehrer“ aus Deutschland eingestellt, zum anderen könnten die Kinder mit ihren unzureichenden Türkischkenntnissen kaum im Unterricht mithalten. „In Deutschland hingegen haben sie sich Bildungs- und Ausbildungschancen aufgebaut“, sagt er. Dass diese soziale Integration der Familie ausländerrechtlich keine Rolle spielt, zeigt für ihn das „strukturelle Defizit“ im deutschen Ausländerrecht: „Solche Härtefälle müssen einfach anerkannt werden.“

Jetzt hofft er darauf, dass die NRW-Härtefallkommission das genauso sieht. Schließlich stehe hinter der Einrichtung der Kommission vor acht Jahren „die Erkenntnis, dass eine solche Einzelfallgerechtigkeit im Gesetz fehlt“. Der Unterstützerkreis habe daher auch in Absprache mit Hanswerner Odendahl, dem Anwalt der Horuz‘, ergänzende Eingaben zum Härtefallantrag gemacht und den Bildungsweg jedes einzelnen Kindes dargestellt. Aber im Grunde, sagt Hocker, sei er nicht sehr optimistisch, was die Erfolgsaussichten des Antrags angeht.

Dazu besteht auch wenig Anlass. Denn die Kölner Ausländerbehörde muss der Empfehlung aus Düsseldorf nach bisherigem Recht nicht nachkommen. Das wird sich mit dem neuen Zuwanderungsgesetz ab 1. Januar zwar ändern; die Kommission darf dann in Einzelfällen auch abweichend von geltendem Recht selbst Aufenthaltsgenehmigungen erteilen. Für die Familie Horuz könnte die Neuregelung aber zu spät kommen. Denn „grundsätzlich“ habe die Prüfung des Falls durch die Härtefallkommission „keine aufschiebende Wirkung“, sagt Martin Schmidt, stellvertretender Abteilungsleiter des Ausländeramts. Die Vorbereitungen für die Abschiebung liefen daher weiter.

Duldung bis 20. Dezember

Laut Anwalt Odendahl hat die Familie noch eine Duldung bis 20. Dezember. Die könne aber sofort widerrufen werden, wenn die Behörde alle Papiere zusammen hat. Trotzdem hat Hocker die Ausländerbehörde in einer Eingabe gebeten, mit den so genannten „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ bis zu einem Entscheid aus Düsseldorf zu warten.

Und immerhin sagt auch Schmidt, eine Empfehlung der Kommission wäre „natürlich Anlass für eine erneute, gründliche Prüfung“ des Falls. Andererseits sehe die Ausländerbehörde nach wie vor keinen Ermessenspielraum für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Und auch das Oberverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die Abschiebung „keine unzumutbare Härte“ sei. Ob dieses Urteil angesichts der Situation der Kinder – eines soll im Frühjahr Abitur machen – eine gerechte Entscheidung ist, kann Schmidt nicht beurteilen. „Das steht mir nicht zu.“ Für sein Amt steht nur fest: „Nach den Gerichtsurteilen können wir der Familie keine Aufenthaltsgenehmigung mehr erteilen.“ Susanne Gannott