die pilgerin und die sünden der flugsicherheit von RALF SOTSCHECK
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Irgendwann müssen alle mal nach Lourdes – wenn sie gute irische Katholiken sind. Schließlich ist der kleinen Bernadette im Jahr 1858 in Lourdes die Jungfrau Maria gleich 18-mal erschienen, obendrein gab es ein paar Wunderheilungen in jenem Jahr. Die katholische Kirche untersuchte die Fälle und kam zu dem Ergebnis, dass alles rechtens sei. Fortan war Lourdes ein Wallfahrtsort.

Für die 73-jährige Eileen Horgan aus Dublin endete die Pilgerfahrt allerdings schon am Flughafen der irischen Hauptstadt. Sie hatte die Reise inklusive Sündenvergebung bei „Pilgrimages Abroad“ gebucht, einem Reiseunternehmen, das Gläubige an ausländische Pilgerstätten transportiert. Ganz so gläubig ist Horgan aber nicht. Sie hatte sich bei der Buchung erkundigt, ob sie mit der irischen Fluglinie Aer Lingus fliegen würde. Eine Angestellte versicherte ihr, dass dies der Fall sei, während sich eine andere Reisebürokraft darüber scheckig lachte.

Als Horgan am Flughafen ankam, wurde ihr klar, was es mit dem Gelächter auf sich hatte: Das Flugzeug, mit dem sie die Pilgerfahrt antreten sollte, gehörte keineswegs Aer Lingus, sondern Futura Airlines, von denen bis dahin noch nie jemand etwas gehört hatte. Sie beschwerte sich beim Personal der Flughafenbehörde, weil sie nicht in einem futuristischen frommen Flieger, sondern in einem weltlichen Aer-Lingus-Flugzeug reisen wollte. Man erklärte ihr, dass sich daran nichts mehr ändern ließe. Horgan fügte sich in ihr Schicksal – und zwar so sehr, dass sie einen Sicherheitsalarm auslöste. Sie sagte nämlich zu dem Bodenpersonal: „Falls das Flugzeug abstürzen sollte und wir alle draufgehen, ist das kein Problem für mich.“ Aber für die Flughafenangestellten. Die hatten Horgans fatalistische Äußerung als Drohung interpretiert und erklärten die gefährliche weißhaarige alte Dame flugs zum Flugsicherheitsrisiko. Sie ließen ihren Koffer aus der Maschine entfernen und schickten sie nach Hause. Horgan hat nun bei Gericht Klage wegen entgangener Sündenvergebung eingereicht.

Dabei war die Flughafenbehörde bisher für Großzügigkeit bekannt. Bis vor kurzem hieß sie Aer Rianta und war für alle irischen Flughäfen zuständig. Doch dann teilte die Regierung das Staatsunternehmen in Regionalbehörden auf, die nun gegeneinander um die Kundschaft kämpfen müssen. Die wasserköpfige Hauptverwaltung wurde aufgelöst. Zum Abschied schenkte der Aer-Rianta-Vorsitzende Noel Hanlon fünf Aufsichtsratsmitgliedern goldene Cartier-Armbanduhren im Wert von 9.000 Euro pro Stück – auf Staatskosten, versteht sich. Weil er die Uhren direkt ab Werk gekauft hatte, bekam er einen erheblichen Rabatt auf den Ladenpreis und sparte den Steuerzahlern bares Geld.

Die Geschenke seien eine Anerkennung für hervorragende Arbeit, erklärte Hanlon. Peinlich nur, dass er selbst einer der Beschenkten war. Als die Sache bekannt wurde, gab Hanlon kleinlaut bei, zahlte vier Uhren aus eigener Tasche und gab seine an die Behörde zurück. Das Transportministerium erklärte, es erwarte von der neuen Flughafenbehörde „einen höheren moralischen Standard“. Vielleicht sollte sie Hanlons Uhr Eileen Horgan schenken – als Ablass für die vermasselte Sündenvergebung.