Zwanziger übernimmt das Kommando

Erstmals in seiner Geschichte wird der Deutsche Fußball-Bund von zwei Präsidenten geführt. Deutlich wird beim DFB-Parteitag aber auch, dass der bisherige Alleinherrscher Gerhard Mayer-Vorfelder nur noch ein Auslaufmodell ist

OSNABRÜCK taz ■ Der Kaiser redete Tacheles – und dabei erklärte Franz Beckenbauer den Delegierten des kleinen und des großen Sports beim 38. Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ganz unmissverständlich, welche Spur die Vertreter der Millionen Amateur- und Jugendkicker und die Vorstände der Ligaklubs jetzt zu nehmen hätten: arbeiten, arbeiten und noch mal arbeiten – und zwar für die WM 2006. Gemeinsam, so Beckenbauer, müsse man das größte Spektakel stemmen, das im ersten Jahrhundert des dritten Jahrtausends auf das Fußballland und den Wirtschaftsstandort Deutschland zuläuft – und zwar ohne personelle Scharmützel und einen Machtkampf der unterschiedlichen Lager. „Das hat uns jetzt ein Vierteljahr gekostet“, schimpfte Beckenbauer, obwohl beim Festakt am Abend vor dem Parteitag öffentlich Harmonie vorgespielt wurde.

Viele konnten sich vom Appell des WM-Organisationschefs getroffen fühlen und die Frage auf den Heimweg aus Osnabrück mitnehmen, ob denn nach dem Kompromiss mit einer präsidialen Doppelspitze, der Fußball im Land des dreimaligen Welt- und Europameisters mit einer Zunge spricht. Immerhin eines scheint beim interimistischen Führungsmodell mit Amtsinhaber Gerhard Mayer-Vorfelder und Theo Zwanziger deutlich: Der frühere Schatzmeister ist der neue starke Mann. „Der wird auch in zwei Jahren wieder der alleinige DFB-Präsident sein“, sagte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München und erste Sprecher der Profi-Klubs.

Nach außen muss der Jurist aus Altendiez noch Profil gewinnen, intern aber hat er sich durch seinen Wahlkampf Respekt und Akzeptanz verschafft. Zwanziger brachte das Amateur-Lager geschlossen hinter sich, er setzte das Zeichen, dass Karrieren im DFB nur über das Ehrenamt und mit den im Bundestag garantierten Verbandsmehrheiten möglich sind. Dass dafür ein Mann wie Wilfried Straub geopfert wurde, belegt die Härte und Konsequenz, mit welcher Zwanziger antritt.

Straub hatte sich nach 33 Jahren als höchster DFB-Angestellter und folgenden drei Jahren Geschäftsführer der DFL prädestiniert gesehen für den Posten eines Mittlers – in dieser Absicht kandidierte er für das Amt des Schatzmeisters. Nun aber musste er merken, dass alle Verdienste und das Vertrauen eines ganzen Berufslebens nichts zählten. Deshalb hat der Geschäftsführer der Liga auf die erste Kampfabstimmung des DFB in der Nachkriegsgeschichte verzichtet. Mit tränenerstickter Stimme verzichtete er auf die Kandidatur zum Schatzmeister. „Wir halten dich für den Besten, aber Straub, du bist auf der falschen Seite“, hätten ihm viele seiner alten Gefährten in den Tagen zuvor signalisiert. Ob nur unbewusst oder nicht, Straub hat sich selbst den Hut des Profi-Lagers aufgesetzt. „Ich habe gedacht, dass man der Liga den Schatzmeisterposten zugestehen sollte“, so Straub, „denn durch die Liga kommt das meiste Geld in den DFB“.

Dass nach Straubs Verzicht Heinrich Schmidhuber, der Reformator des bayerischen Fußballverbandes, beim weltgrößten Sportverband auf der Kasse sitzt, wird die Politik dort nicht groß beeinflussen. „Der macht das ja nur zwei Jahre“, kommentierte DFL-Präsident Werner Hackmann die Wahl des 68-Jährigen, „dann greift die neue Altersgrenze.“ Doch nicht nur Hackmann, sondern die gesamte Vollversammlung des Bundestags täten gut daran, wenn sie bei den Mandatsträgern ihrer leitenden Gremien nicht nur auf die Geburtsdaten, sondern einmal nach Perspektiven schauen würden. Mit Mayer-Vorfelders Abdankung im Sommer 2006 verliert der DFB allmählich sämtliche internationalen Anschlüsse: den Platz in der Fifa-Exekutive genauso wie im Führungszirkel der europäischen Konföderation. Einer, der sich auch im Ausland einmal die Schuhe des schwäbischen Multifunktionärs anziehen könnte, ist in Osnabrück jedenfalls nicht aufgetreten. MARTIN HÄGELE