Der Pate hat das Revier verlassen

Der ehemalige WestLB-Chef Friedel Neuber war einer der mächtigsten Männer der Deutschland AG

Er konnte es nicht lassen. Obwohl er mehrfach im Visier der Staatsanwaltschaft und im Mittelpunkt diverser Untersuchungsausschüsse stand, liefen beim ehemaligen WestLB-Chef Friedel Neuber bis zuletzt viele Fäden zusammen. Auch nach der Anklage wegen Beihilfe zur Untreue im Zusammenhang mit der Pleite des Baukonzerns Philipp Holzmann leitete er die Aufsichtsräte von TUI und RWE und war Mitglied in vier anderen Kontrollgremien. Am Samstag starb Neuber 69-jährig an Herzversagen.

Zwei Jahrzehnte war Neuber als Chef der landeseigenen WestLB einer der führenden Repräsentanten der Deutschland AG gewesen. Er kontrollierte die Aufsichtsräte der wichtigsten Konzerne in Nordrhein-Westfalen und schuf ein Geflecht von Abhängigkeiten, wobei ihm seine intensiv gepflegten Freundschaften zu Johannes Rau, dem langjährigen nordrhein-westfälischen Finanzminister Heinz Schleußer und etlichen Unternehmenschefs halfen.

Zielstrebigkeit und taktisches Geschick hatte Neuber schon früh gezeigt. Nach der Volksschule lernte der Eisenbahnersohn aus Rheinhausen bei Krupp Industriekaufmann und bastelte nebenher an seiner politischen Karriere. Mit 26 Jahren zog er als damals jüngster Abgeordneter für die SPD in den Landtag ein. Schon acht Jahre später war er – ohne Abitur, Studium und praktische Bankerfahrung – Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes und gelangte so in den Machtzirkel der Landesbank. Als WestLB-Chef Johannes Völling gehen musste, war Neuber da – und behielt sein Amt länger als jeder andere deutsche Bankenchef.

Ein „roter Banker“ war der Sozialdemokrat jedoch nie. Früh schon lud er die Unternehmensberatung McKinsey ein und trimmte die WestLB auf Effizienz. Auch politisch zeigte er parteiübergreifendes Kalkül. Aktive Strukturpolitik betrieb er gern bei Jagdausflügen und beim Skat. Beobachter sagten ihm „eine sagenhafte Trinkfestigkeit“ nach. Bei der Verteilung von Pöstchen war er offenbar immer sehr klar. Um allzu scharfe Kritik an der ausufernden Beteiligungspolitik der WestLB zu verhindern, zeigte sich Neuber auch gegenüber dem politischen Gegner großzügig. Alle Parteien, außer den Grünen, durften sich über jährliche Spenden knapp unter der Offenlegungsgrenze von 20.000 Mark freuen. Kein Wunder, dass erste kleinere Skandale wie eine Steuerfahnderrazzia 1996 praktisch spurlos an Neuber vorübergingen.

Erst als Rau als Bundespräsident nach Berlin ging, Schleußer als Finanzminister stolperte und Wolfgang Clement das Ministerpräsidentenamt übernahm, hakte es im System Neuber. 1999 sorgte eine Flugaffäre für die entscheidenden Negativmeldungen: Die WestLB hatte hochrangigen Politikern jahrelang kostenlos Charterjets zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig ermittelten Staatsanwälte, weil die WestLB Kunden systematisch beim Geldtransfer nach Luxemburg unterstützt haben sollte. 2001 dankte Neuber ab. BEATE WILLMS