UNO kritisiert Druck aus Belgrad

Die Serben boykottieren weitgehend die Wahlen im Kosovo. Auf albanischer Seite stabilisierensich die großen Parteien. Die LDK des bisherigen Präsidenten Ibrahim Rugova liegt inoffiziell vorn

Der Menschenrechtler Veton Surroi erreicht aus dem Stand 6 Prozent der Stimmen

AUS PRISHTINAERICH RATHFELDER

Als er gestern vor die Presse trat, war dem Chef der UN-Mission im Kosovo, Sören Jessen-Petersen, die Erleichterung anzumerken. Die Wahlen im Kosovo waren friedlich und ohne Störungen verlaufen. Und so lobte er die lokalen Organisatoren, die internationalen Sicherheitskräfte und die 12.000 Wahlbeobachter. Doch als die Sprache auf den Wahlboykott der Serben kam, wurde der vorher freundlich und heiter wirkende dänische Diplomat bissig. Die Führung in Belgrad hätte die Serben Kosovos unter Druck gesetzt. Und das sei zum Schaden dieser Bevölkerungsgruppe.

Alle Aufrufe der UNO, der Nato und der EU hatten nichts genutzt. Die überwiegende Mehrheit der Serben blieb den Urnen fern und folgte damit den Aufrufen des serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Koštunica, den nationalistischen Parteien und der orthodoxen Kirche. Demgegenüber hatte sich der proeuropäische serbische Präsident Boris Tadić für eine Teilnahme an der Wahl ausgesprochen.

Vor vielen Wahllokalen in den serbischen Gebieten standen „Beobachter“, die jene registrierten, die an die Urnen schritten. Im nördlichen, von Serben bewohnten Teil der Großstadt Mitrovica erklärte ein Wahlleiter, in seinem Lokal hätten acht Serben gewählt, „acht Wähler zu viel“. Auch in anderen serbischen Enklaven spielte sich Ähnliches ab. Der soziale Druck war für Staatsangestellte wie Lehrer, Polizisten oder Verwaltungsbeamte besonders groß, weil sie Gehälter von der Regierung in Belgrad beziehen. So waren es nur ein paar hundert, die in den serbischen Enklaven zur Urne schritten, was die Wahlbeteiligung insgesamt auf nur 53 Prozent drückte.

Sören Jessen-Petersen ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass die ins Parlament gewählten Serben die „legitimierten Vertreter“ der serbischen Bevölkerung seien. Die zehn den Serben vorbehaltenen Minderheitensitze im 120 Sitze umfassenden Parlament würden auf jeden Fall besetzt. Durch ihren Wahlboykott hätten sich die serbisch-nationalistischen Kräfte selbst um ihre Einflussmöglichkeiten auf den zukünftigen Status des Kosovo gebracht.

Erbost zeigten sich auch andere Vertreter der internationalen Gemeinschaft. Die EU-Parlamentarierin für Fragen Süd-Ost-Europas, Doris Pak, sagte, die Kalkulation Belgrads, die Verhandlungen über den endgültigen Status des Kosovos zu verzögern, würde nicht aufgehen.

Nach ersten inoffiziellen Ergebnissen haben die großen Parteien der Albaner entgegen vielen Wahlprognosen ihre Position behaupten und sogar ausbauen können. Wahlsieger wurde die „Demokratische Liga Kosova“ (LDK) des bisherigen Präsidenten Ibrahim Rugova mit 47 Prozent der Stimmen, die damit ihr Ergebnis von vor vier Jahren behaupten konnte.

An zweiter Stelle liegt die „Demokratische Partei Kosova“ (PdK) des ehemaligen UÇK-Führers Hashim Thaci mit 27 Prozent, die damit um drei Prozentpunkte hinzu gewann. Die „Allianz für die Zukunft Kosovas“ (AAK) des Exkommandeurs Ramush Harandinaj kam noch auf 8 Prozent, die erstmals auftretende Partei ORA des Verlegers und Menschenrechtlers Veton Surroi erreichte aus dem Stand 6 Prozent.

Die Zusammensetzung des 120 Sitze umfassenden Parlaments bleibt auf der Basis der Auszählung noch ungewiss. Sicher aber ist, dass keine der Parteien über eine absolute Mehrheit verfügen wird. Denn neben den Serben verfügen auch die anderen Minderheiten der Roma, Türken, Goranj und Bosniaken über zusammen zehn Sitze. Die LDK könnte somit mit ihren 47 Prozent der Stimmen bestenfalls um die 50 Sitze erreichen. Und damit wird die neue Regierung wie die bisherige eine Koalitionsregierung sein müssen.

Noch ist unsicher, ob die LDK die große Koalition mit den Nachfolgeparteien der UÇK fortsetzen wird. Sie könnte angesichts ihres Wahlerfolges versucht sein, sich mit kleineren Koalitionspartnern zu verbünden, um die 2005 mit der UN anstehenden Statusverhandlungen zu bestimmen, „was für die Zukunft Ruhm“ einbringen könnte. So spekuliert jedenfalls der politische Analytiker und Politikwissenschaftler Skelzen Maliqi. Denkbar wäre aber selbst eine Koalition der Thaci-Partei mit den kleineren Parteien und den Minderheitenvertretern. Thaci könnte, so sein verwegener Gedanke, den ins Parlament gewählten Serben eine Koalition anbieten und gemeinsam das historische Werk der Neubestimmung des Status des Kosovo und die Integration der Serben in den Staat vollbringen.

Doch die wahrscheinlichste Konstellation ist auch für Maliqi die Fortsetzung der bisherigen Koalition, um die ehemalige UÇK in die Regierung einzubinden. Dies bestätigt das führende Mitglied der Thaci-Partei, der Historiker Enver Hoxhaj. Die internationale Gemeinschaft favorisiere diese Lösung, um eine stabile Regierung zu bilden, erklärte er.

Die serbischen Nationalisten hätten sich mit ihrem Wahlboykott, so diplomatische Quellen, selbst ins Abseits gestellt, was sogar Rückwirkungen auf das Verhältnis der EU zu Serbien haben könnte. Das letzte Wort sei jedoch noch nicht gefallen.