Europäische Integration bei Opel

Die Verhandlungsführer bei dem kriselnden Autokonzern können sich eine gesamteuropäische Lösung in einer gemeinsamen Europa AG vorstellen. Diese könnte ein Gegengewicht zur Spitze bei General Motors bilden. Was es finanziell bringt, ist unklar

AUS RÜSSELSHEIM KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Geheim“ werde zunächst verhandelt. Zwischen dem Vorstand der Adam Opel AG und der Spitze von General Motors (GM) Europe auf der einen und dem Gesamtbetriebsrat der Firmen Opel, Saab und Vauxhall und Vertretern der betroffenen Metallarbeitergewerkschaften auf der anderen Seite. So wurden Auskunftsersuchen noch am Freitag im Büro des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Klaus Franz in Rüsselsheim beschieden. Informiert werde erst, wenn konkrete Verhandlungsergebnisse vorliegen. Am Tag danach wurden allerdings schon Details aus dem von der Arbeitgeberseite auf Druck von GM Detroit USA vorgelegten radikalen Sanierungsplan von GM Europe bekannt. Und Franz deckte im Gegenzug ausgerechnet in der Welt am Sonntag, deren Mutterblatt ihn zuvor als den „guten Menschen von Rüsselsheim“ bezeichnet hatte, seine Karten auf. Viele Trümpfe hatte er nicht.

Laut Franz sollen die rund 100 Tochtergesellschaften von GM in Europa unter dem Dach einer neuen Aktiengesellschaft nach dem erst von sechs Staaten der Europäischen Union ratifizierten neuen europäischen Aktienrecht vereinigt werden. Sitz der GM Europe AG soll Brüssel werden. Bislang regierte GM Europe von Zürich aus das unübersichtliche Reich des US-amerikanischen Automobilbaugiganten auf dem Kontinent. Mit der neuen Rechtsform, so Franz weiter, könnten die bislang komplizierten Strukturen von GM in Europa entbehrlich gemacht werden. Damit spare der Konzern Geld. Wie viel, sagte der Gesamtbetriebsratschef, der sich in der letzten Woche nicht einmal bei den streikenden Kollegen in Bochum hatte blicken lassen, nicht.

GM Europe will 500 Millionen Euro jährlich einsparen. Zum Stand der Verhandlungen in Rüsselsheim erklärte Franz, man habe bereits „einen großen Schritt nach vorne gemacht“. Es sei „nicht unrealistisch“, dass Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden könnten.

Dass dafür von den Beschäftigten an allen Standorten „hässliche Kröten geschluckt“ werden müssen, sagten am Wochenende andere Arbeitnehmervertreter in Rüsselsheim, die namentlich nicht genannt werden wollen. So stehe jetzt der Haustarif bei Opel – 20 Prozent über den Tarifen für Metallarbeiter in den betroffenen Bezirken – komplett zur Disposition. Und auch das Weihnachtsgeld werde wohl „brutal zusammengestrichen“. Ob das GM Europe allerdings schon ausreicht, bleibt fraglich. Im Horrorkatalog, den GM Europe am Donnerstag vorlegt hatte, ist jedenfalls weiter davon die Rede, dass auf betriebsbedingte Kündigungen nicht verzichtet werden könne. „Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaften“ sollen dafür sorgen, dass die insgesamt 8.500 Arbeitnehmer, die in Rüsselsheim und in Bochum schon bis Ende 2005 entlassen werden sollen, nicht gleich auf der Straße stehen.

In diesem Zusammenhang fordert GM Europa, die Nachtschicht in Rüsselsheim zu streichen. Das würde rund 1.700 Autowerker den Job kosten. Und bis auf den Prototypenbau und die Designabteilung soll am Stammsitz von Opel in Rüsselsheim auch das Technische Entwicklungszentrum mit seinen rund 5.000 Mitarbeitern „eingedampft“ werden. Neue Kleinwagen würden dann in Korea und Kompaktwagen direkt bei GM in Detroit konzipiert. Unklar ist noch, was aus den rund 2.000 Ingenieuren und Technikern in der Motorenentwicklung werden soll, die seit 2000 im Gemeinschaftsunternehmen Powertrain von Opel und Fiat arbeiten. Ihre Tarifverträge mit Bindung an den Opel-Haustarif laufen nächstes Jahr aus.