Ideologie in Reinkultur

betr.: „Kleine grüne Feiglinge“, taz vom 2. 4. 09

Die Krise des globalen Finanzkapitalismus lässt derzeit weltweit wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen, was uns in den letzten Jahren als der Weisheit letzter Schluss der Wirtschaftswissenschaft verkauft worden ist: Ein Goldenes Kalb namens „Markt“ werde alles regeln, der Staat hingegen solle sich bloß raushalten. Nun, da Banken und Autokonzerne mit Steuermilliarden subventioniert werden, steht Neoliberalismus nicht mehr besonders hoch im Kurs.

Nur wenige Unverbesserliche predigen ihn immer noch, so wie Christian Füller, wenn er den Grünen vorwirft, sie sollten doch endlich die einzig wahre Wahrheit akzeptieren: „Ohne Studiengebühren wird sich die Zukunft der Wissensgesellschaft nicht finanzieren lassen.“ Das ist Ideologie in Reinkultur: Nur ein Markt der Studierwilligen, die für eine Ware namens Hochschulbildung (bzw. die damit verbundenen gesellschaftlichen Statuschancen) kräftig zahlen sollen, würde Deutschlands Unis im Standortwettbewerb untereinander und gegen den Rest der Welt konkurrenzfähig machen.

Wer solche Vorstellungen immer noch vertritt, ist offensichtlich lernresistent. Die Diagnose „Es ist die Schule, stupid!“ lehnt sich nicht von ungefähr an den ökonomistischen Clinton-Slogan an und steht mit ihrer Fixierung auf Liberalisierung und Kommerzialisierung einem gerechteren Bildungswesen eher entgegen. Denn das Problem ist an Schulen und Hochschulen letztlich dasselbe: die soziale Selektion, die sich hier wie dort eben nicht durch Studiengebühren, Privatisierung und Elitedenken beenden lässt, sondern nur durch ein faires, offenes Bildungssystem für alle. Schade, dass diese Einsicht in der taz offenbar noch nicht angekommen ist.

FLORIAN PETERS, Berlin