EU will Genmais aus der Dose

Die Brüsseler Kommission will den Import von Genfood erlauben – und so vor allem den USA entgegenkommen. Der Verbraucher soll es am Etikett erkennen können

BRÜSSEL taz ■ Mit einer riesigen Monster-Tomate protestierten Mitglieder des World Wide Fund for Nature (WWF) gestern in Brüssel vor dem Ratsgebäude. Drinnen tagte das Komitee für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit, um zum ersten Mal seit der Denkpause, die sich die EU 1998 verordnet hatte, über ein genverändertes Produkt zu entscheiden. Die Fachbeamten einigten sich nicht. Nur Spanien, Irland, Holland, Finnland, Schweden und Großbritannien stimmten dafür, die erforderliche Zweidrittelmehrheit kam nicht zustande.

Es ging dabei allerdings nicht um Tomaten, sondern um Mais, genauer gesagt um die Einfuhr von BT 11 der Schweizer Firma Syngenta. Das ist ein süßer Speisemais zum Essen, kein Saatgut. Das vorgeschriebene Verfahren ist eigentlich die letzten Freitag in Kraft getretene Verordnung für Nahrungs- und Futtermittel. Da sie aber erst nach einer Übergangszeit am 18. April 2004 angewendet werden soll, wurde gestern noch einmal nach dem alten Verfahren, der 1997 in Kraft getretenen Novel-Food-Verordnung, verhandelt. Dennoch soll der Mais frühestens Mitte April in die Regale kommen, wenn die neue Kennzeichnungs-Verordnung in Kraft ist.

Der Gesetzes-Wust kann über eines nicht hinwegtäuschen: Die Kommission hat es kaum erwarten können, die Denkpause, das so genannte De-Fakto-Moratorium, zu beenden. Sollte weder der Ständige Ausschuss noch der Landwirtschaftsministerrat eine qualifizierte Mehrheit für den Mais oder dagegen zu Stande bringen – was wahrscheinlich ist –, kann die Kommission allein entscheiden. Sie wird den genveränderten süßen Mais zulassen, um den Streit mit den USA vor der Welthandelsorganisation über dieses Thema zu beenden. Denn die WTO verlangt wissenschaftliche Beweise, dass Genprodukte schädlich für den Verbraucher sind. Kann die EU diese Beweise nicht vorlegen, drohen ihren Exporteuren Strafzölle in dreistelliger Millionenhöhe.

Die Verbraucher sollen mit dem Hinweis beruhigt werden, der Mais werde als genverändertes Produkt gekennzeichnet. Jeder Käufer könne also frei entscheiden. In der Praxis aber wird die neue Kennzeichnungs-Verordnung dafür sorgen, dass es bald keine Produkte mehr gibt, die nicht mit dem Hinweis auf genveränderte Bestandteile versehen sind. Denn es müssen auch Substanzen wie Speiseöl aus genverändertem Mais aufgeführt werden, das von traditionellem Öl chemisch nicht zu unterscheiden ist. Wenn auf jedem Etikett ein Gen-Hinweis steht, hat der Verbraucher ohnehin keine Wahl mehr.

DANIELA WEINGÄRTNER