: „Illegale“ sollen Rechte bekommen
In Köln leben tausende Menschen ohne Papiere. Flüchtlingsorganisationen verlangen von Politik und Verwaltung, dem Beispiel der Städte München und Freiburg zu folgen und ihnen Zugang zu Bildung und Gesundheit zu ermöglichen
Von Frank Überall und Dirk Eckert
Illegalisierte Flüchtlinge sollen in Köln wieder menschenwürdig leben können. Für dieses Grundrecht der „Papierlosen“ macht sich eine Gruppe von Flüchtlingsorganisationen in einem Appell an den Stadtrat stark. Zu den Initiatoren zählen Kanak Attak, der Kölner Flüchtlingsrat, das Netzwerk „Kein Mensch ist illegal“ sowie der Verein „Öffentlichkeit gegen Gewalt“. Dabei ist es kein Wunder, dass der Brief ausgerechnet jetzt kommt: Die Organisationen hoffen, dass ihre Wünsche bei den laufenden Koalitionsverhandlungen berücksichtigt werden. Sowohl die Mitglieder des Stadtrates als auch die Verwaltung sollen für eine humanitärere Haltung gegenüber denjenigen gewonnen werden, die in der Illegalität leben müssen.
Wer „ohne Papiere“ lebe, sei „praktisch vogelfrei“, so die Unterzeichner. Sie fordern, dass „illegalen“ Flüchtlingen Selbstverständlichkeiten des Lebens gewährt werden. Dazu zähle unter anderem der Zugang zum Gesundheits- und Bildungsbereich. Damit „illegale“ Flüchtlinge nicht weiter kriminalisiert werden, sollen Ordnungs- und Polizeibehörden deutlich zurückhaltender agieren. Denn auch diese „prekären Einwanderer“ seinen längst Teil unserer Stadt, unterstreichen die Organisationen.
Dass Menschen überhaupt in die Lage kommen, ohne legale Papiere leben zu müssen, kann die unterschiedlichsten Gründe haben: „Sie reichen von Schutzlücken für bestimmte Flüchtlingsgruppen über Regelungen des Ausländergesetzes, die Menschen in die Illegalität drängen bis zu fehlenden Möglichkeiten legaler Zuwanderung“, schreiben die Verfasser des Appells.
Der Kölner Flüchtlingsrat hat es zum Beispiel oft mit Menschen zu tun, die noch keinen legalen Aufenthaltsstatus haben oder ihn gerade verloren haben. Flüchtlingsrat-Geschäftsführer Claus-Ulrich Prölß nennt als Beispiel eine türkische Familie, deren Asylantrag abgelehnt wurde und der sein Verein jetzt rechtliche Hilfestellung gibt.
Was Illegalisierte betrifft, könnte Köln durchaus von anderen Städten lernen, meinen die Menschenrechtsaktivisten. „Andere Kommunen gehen beispielhafter vor“, heißt es in dem Papier. Von der Stadt Köln seien bisher besondere Hilfen für Menschen ohne Aufenthaltspapiere „nur in wenigen Ansätzen vorgesehen“. Prölß lobt in diesem Zusammenhang die Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung beim Gesundheitsamt. Aber auch die sei noch „verbesserungsfähig“, schließlich richte sich die Stelle nicht speziell an „Illegale“.
Explizit verweisen die Unterzeichner auf Freiburg und München. In Freiburg hat die Stadt letztes Jahr ein Hearing zur Lage von „Menschen ohne Aufenthaltsstatus“ durchgeführt. Das dortige Schulamt hat mittlerweile angeordnet, dass Schulleiter Kinder ohne Aufenthaltstitel nicht mehr an die Ausländerbehörden melden müssen. Auch in München sollen solche Kinder künftig die Schule besuchen können, wie der Stadtrat dieses Jahr beschlossen hat. Außerdem soll sich der Oberbürgermeister bei der Bundesregierung dafür einsetzten, dass in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz „eindeutig“ klargestellt werde, „dass Schulen und Lehrer nicht verpflichtet sind, den Behörden ausländische Schüler zu melden, die sich illegal in Deutschland aufhalten“. Zudem beschloss der Stadtrat Verbesserungen im Gesundheitsbereich. So sollen zum Beispiel im Krankenhaus werdende Mütter nicht mehr nach Papieren gefragt werden. Des Weiteren wird künftig wenigstens eine Geburtsbescheinigung ausgestellt, wenn die Mutter keine Papiere vorlegen kann.
Um überhaupt gesicherte Erkenntnisse über die Lebenssituation der Illegalisierten in Köln zu bekommen, fordern die Kölner Organisationen ferner eine unabhängige Studie zu diesem Thema. Schätzungen gehen von rund 25.000 Illegalisierten im Großraum Köln aus – genau weiß das aber niemand. In München kam eine entsprechende Studie auf 30.000 bis 50.000 Illegalisierte. In der ganzen Bundesrepublik sollen bis zu 1,5 Millionen Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus leben.
„Uns ist wichtig, dass auch in Köln endlich die Diskussion über Illegalisierte geführt wird“, sagt Prölß. Er hofft, dass auch der Rat der Stadt Köln möglichst bald dem Beispiel von Freiburg und München folgt und die humanitären Lebensbedingungen der Illegalisierten verbessert.