Bayern ließen Lederhose als Erste runter

Brandenburg wäre das erste ostdeutsche Bundesland, das seine Parlamentsausschüsse öffentlich tagen lässt. Das passiert derzeit nur in sechs Ländern. Berlin rang sich 1971 dazu durch – 23 Jahre nach dem Bayerischen Landtag

Sechs zu zehn steht es derzeit. Sechs Bundesländer mit öffentlich tagenden Parlamentsausschüssen gegen zehn, die die Türen zulassen. Die größten Verhinderer im Kampf um mehr Transparenz, trotz aller DDR-Erfahrung: die ostdeutschen Länder. Brandenburg wäre unter ihnen das erste, das sich für Öffentlichkeit entscheidet.

„Werkstätten des Parlaments“ heißen die Ausschüsse vielfach. Sie sind der Ort, wo Details verhandelt werden, wo Experten auftreten, wo sich Minister und Senatoren ausführlicher als im Plenum, dem Gesamtparlament, rechtfertigen müssen. Öfter als dort kommt es zu echten Diskussionen zwischen Regierung und Opposition. Hier ist nicht die rhetorische Leistung entscheidend, sondern die Nachfrage zum auf Seite 246 der Verwaltungsvorlage gut versteckten Detail, Fund langer Lektüre.

Gerade diese Bedeutung ist zentrales Argument von Gegnern und Befürwortern von Öffentlichkeit. Die Sitzungen seien nicht öffentlich, „damit die ungestörte und freie Sacharbeit der Abgeordneten ohne Druck auf die Meinungsbildung gewährleistet wird“, heißt es etwa beim Hessischen Landtag. So genannte Fensterreden nur fürs Publikum sollen vermieden werden. Für das Berliner Abgeordnetenhaus wurden aus Gründen der Transparenz die Ausschusssitzungen 1971 öffentlich. Regierender Bürgermeister war damals der SPD-Mann Klaus Schütz.

Berlin war allerdings nicht Vorreiter. In Bayern wurde der Grundsatz öffentlicher Sitzungen bereits 1948 in das „Bayerische Geschäftsordnungsrecht“ eingefügt, überstand da Strauß, Stoiber und mehrere Reformen. Die generelle Öffentlichkeit verdanke ihren Ursprung jedoch keineswegs bayerischer Originalität, schreibt der Politologe Heinrich Oberreuther. „Sie formte sich vielmehr im Konflikt zwischen der traditionell in Deutschland vorherrschenden Ansicht, Arbeitsklima und Arbeitsproduktivität gestalteten sich am besten, wenn die Öffentlichkeit ferngehalten wird, und der stark emotional bestimmten Einstellung der Vertreter der Besatzungsmacht zu dieser Frage.“

Öffentlich tagen derzeit folgende Parlamente: Bayern, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und –allerdings nicht bei Haushaltsberatungen – Rheinland-Pfalz. Ausgenommen ist stets der Petitionsausschuss, wo es teils um sehr persönliche Anliegen geht. Neben den Ostländern tagen auch die Ausschüsse in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und dem Saarland hinter verschlossenen Türen, größtenteils auch in Bremen.

Uneinheitlich auch das Bild auf anderen Politebenen. Während die Ausschüsse des Europäischen Parlaments seit 1989 öffentlich tagen, gilt das nicht für den Bundestag. Bei den Bezirksverordnetenversammlungen – die zwar immer gern als Bezirksparlament bezeichnet werden, aber keine Gesetze beschließen können – ist die Lage ebenfalls uneinheitlich. In der Regel sind die Sitzungen zwar öffentlich, aber etwa Neukölln macht anders als andere Bezirke beim Hauptausschuss, wo es ums Geld geht, die Schotten dicht. STEFAN ALBERTI