94 Prozent für Tunesiens Ben Ali

Der Präsident des nordafrikanischen Landes wird zum vierten Mal wieder gewählt. Dafür wurde eigens die Verfassung geändert. Die Opposition beklagt schwere Einschränkungen der Wahlfreiheit

VON REINER WANDLER

Der tunesische Präsident Zine El Abidine Ben Ali ist bei den Wahlen am Sonntag für eine vierte Amtszeit wieder gewählt worden. Er setzte sich mit 94,48 Prozent der Stimmen gegen drei Mitbewerber durch. Mohamed Bouchiha, Generalsekretär der Partei der Volkseinheit (PUP), bekam 3,78 Prozent und Mounir Beji von der Sozialliberalen Partei (PSL) 0,79 Prozent. Beide Kandidaten gelten als regimetreu. Sie wurden, so die Vorwürfe des einzigen echten Oppositionskandidaten, Mohamed Ali Halouani von der exkommunistischen Ettajdid, als Feigenblatt von Ben Ali selbst ins Rennen geschickt. Halouani erzielte 0,95 Prozent.

Vor fünf Jahren errang Ben Ali noch 99,44 Prozent. Bei den damaligen Wahlen waren zum ersten Mal Gegenkandidaten zugelassen. Bis 1987 war Ben Ali tunesischer Sicherheitschef. Er zog in den Präsidentenpalast ein, nachdem er den Vater des unabhängigen Tunesien, Habib Bourguiba, unter dem Vorwand aus dem Amt jagte, dieser sei senil.

Bei den gleichzeitig stattgefundenen Parlamentswahlen erzielte die Staatspartei Demokratische Konstitutionelle Versammlung (RCD) nach Hochrechnungen der französischen Nachrichtenagentur AFP mindestens 80 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sie stellt damit 152 der 189 Abgeordneten. Die Demokratisch-Sozialistische Bewegung (MDS) bekommt 14 Sitze, die PUP elf, die Einheitliche Demokratische Union (UDU) erhält acht, die Exkommunisten und die PSL kommen auf jeweils zwei Sitze.

Bereits im Vorfeld wurden Ben Ali und seiner RCD schwere Verstöße gegen die Wahlfreiheit vorgeworfen. Die Fortschrittliche Demokratische Partei (PDP) zog am vergangenen Donnerstag ihre Kandidatur zurück. „Wir waren schwerem Druck und Verletzungen unserer Rechte ausgesetzt“, beschwerte sich deren Vorsitzender Ahmed Nejib Chebbi. Er selbst wurde als Präsidentschaftskandidat nicht zugelassen; in fünf der 26 Wahlkreise wurde die Kandidatur der PDP annulliert. Chebbi gab die Teilnahme an den Wahlen auf, nachdem er daran gehindert wurde, an zwei Sendungen des arabischen Fernsehsenders al-Dschasira teilzunehmen. Im Wahlgesetz wird Werbung in ausländischen Medien ausdrücklich untersagt. „Die PDP durfte ihre Kundgebungen abhalten und hatte die Möglichkeit, ihre Anzeigen in der nationalen Presse zu schalten“, konterte das Innenministerium die Vorwürfe Chebbis.

Was die Regierung Ben Alis verschweigt, kritisierte Reporter ohne Grenzen vor dem Urnengang. Den 4,6 Millionen Wählern „wurden während des gesamten Wahlkampfes unabhängige Informationen vorenthalten“, heißt es im jüngsten Bericht der in Paris ansässigen Organisation. Die gleichgeschalteten Zeitungen hätten „nur einseitige, eintönige und übertriebene Informationen geboten. Unter diesen Bedingungen scheint es völlig unmöglich und illusorisch zu sein, freie und transparente Wahlen zu organisieren“, warnte Reporter ohne Grenzen.

Auch Menschenrechtsorganisationen klagten im Vorfeld der Wahlen das Regime an. In Tunesien sitzen etwa noch immer knapp 700 gewaltfreie, politische Häftlinge in den Gefängnissen. Die meisten kommen aus dem Umfeld der verbotenen islamistischen Ennahda von Rachid Ghanouchi.

Für die Wahlen vom Sonntag hatte Ben Ali vor zwei Jahren eigens die Verfassung ändern und die Regelung streichen lassen, nach der ein Präsident dreimal jeweils fünf Jahren amtieren durfte. Seither kann jeder kandidieren, der jünger ist als 75 Jahre. Ben Ali ist 68. Damit kann er im Jahr 2009 noch einmal antreten.

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