Klüger, reflektierter, emanzipierter

betr.: „Kein Kopftuch an Grundschulen?“, taz bremen vom 21.10.03

Ist die Bremer Frauenbeauftragte denn von allen guten Geistern verlassen? Auch der seichteste Heia-Popeia-Feminismus kann doch nicht derart in die Irre führen, dass plötzlich wieder nur die „westliche Kultur“ das Maß alles Dinge ist. Ist denn nur bei uns Emanzipation denkbar? Soll die Welt mal wieder am abendländischen Wesen genesen? In einer Welt, in der alle Länder unter der latenten Drohung leben müssen, dass ihnen bei Ungehorsam die „westliche Kultur“ hineingebombt wird, ist das Bestehen auf einer eigenständigen nationalen und religiösen Kultur und auf einem eigenständigen Denken und Fühlen ein unglaublich wichtiger Akt des Selbstbewusstseins, des Mutes und der Emanzipation. Und zum Glück haben wir alle – wenn wir nur wollen – ja inzwischen genügend Möglichkeiten, uns ein eigenes Bild von Menschen islamischer Glaubensrichtung zu machen. Und hier kann ich nur feststellen: Die meisten Kopftuch-tragenden Frauen islamischer Glaubensrichtung erweisen sich als klüger, reflektierter, selbstbewusster und emanzipierter als so manches Kopftuch- und bauchnabel-freies, Kreuzchen-um-den-Hals-tragendes „westliches“ Mode-Mäuschen. Und warum eigentlich sollten Grundschüler nicht in der Lage sein, ein Verständnis für das Denken und Fühlen von Frauen aus anderen Kulturen und für kulturelle Toleranz zu entwickeln? Ausgerechnet davor sollen wir Grundschüler „schützen“ – die andererseits in der „westlichen Kultur“ täglich mit Gewalt und Sexismus in den Massenmedien konfrontiert sind? Last not least: Die Erziehung zu interkulturellem Verständnis ist doch Aufgabe Nr. 1 der Schule – in einem Land, das als Exportweltmeister von der Globalisierung lebt.Prof. Dr. Wolfram Elsner, Bremen