noch sieben tage bis zur wahl bush vs. kerry
: Bange machen gilt nicht! Dabei kann einem schon angst und bange werden

Eine Woche vor dem Wahltag ist die US-amerikanische Wählerschaft in ihre Einzelteile zerlegt. Diverse Zielgruppen sind ausfindig gemacht; von jeder einzelnen heißt es, sie könne die Wahl entscheiden. Der Journalist Jorge Ramos nennt gleich sein gerade erschienenes Buch: „Die Latino-Welle – wie Hispanics den nächsten amerikanischen Präsidenten wählen werden“. Sicher ist, dass beide Wahlkampfteams mehr Geld für spanischsprachige Fernsehspots und Werbematerialien ausgegeben haben denn je zuvor.

Andere Experten meinen, die jungen Erstwähler könnten den Ausschlag geben – immerhin rechnen die meisten Experten damit, dass rund 15 Millionen Menschen mehr zur Wahl gehen werden als vor vier Jahren. Den Umfragen zufolge führt John Kerry bei den Erstwählern mit einem Vorsprung von 21 Prozent. Kein Wunder, dass die Republikaner alles daransetzen, um in den kritischen Staaten die Wahlberechtigung von Erstwählern anzuzweifeln. Dann gibt es noch die Hardcore-Christen, die Muslime, die Schwarzen, die Frauen – und wer sich das alles ständig anhört, wird ganz wirr im Kopf.

Das Thema dieser Tage aber ist die „Politik der Angst“. Präsident Bush – und insbesondere Vizepräsident Cheney – haben über Monate hinweg insinuiert, mit einem Präsidenten Kerry stünden neue Terroranschläge unmittelbar bevor. Kerry hat das schon in den Fernsehdebatten mit Bush öffentlich angeprangert, und seitdem gehört die Klage über dieses „Angstmachen“ zu seiner Standardrede. Die Republikaner drehen den Vorwurf inzwischen einfach um: Kerry sei es, der den Leuten Angst zu machen versuche, indem er vor einer Wiedereinführung der Wehrpflicht und einer Aushöhlung der spärlichen sozialen Sicherungssysteme warne, sollte Bush Präsident bleiben. In einer Fernsehdebatte beider Wahlkampfteams am Sonntag nahm das schon absurde Züge an: „Ihr macht den Leuten Angst.“ – „Nein, ihr!“ Bei so einem Irrsinn kann einem tatsächlich bange werden.

Die letzte Wahlkampfwoche ist von dem Versuch bestimmt, noch einmal möglichst umfangreiche kostenlose Fernsehpräsenz zu erhalten: Bill Clinton steigt für Kerry auf die Wahlkampfbühnen, Arnold Schwarzenegger für Bush, und Kerry, Bush, Cheney und Clinton ließen sich für die Monday Morning Shows von abc, nbc und Fox interviewen. Die Frage ist, ob das noch etwas ändern kann: Wer jetzt noch unentschieden ist, muss schon ein außerordentlicher Kretin sein. BERND PICKERT