Franzi nippt klick klick klick

Fair Trade hilft den benachteiligten Agrarproduzenten des Südens. Schon gut, wissen wir längst.Die Nachricht jedoch lautet: Franziska van Almsick hat schwarz lackierte Fingernägel!

aus Berlin STEFAN KUZMANY

Fairer Handel ist eine gute Sache. Wir sollten fair gehandelte Produkte kaufen und verzehren. Denn das hilft den benachteiligten Agrarproduzenten auf der südlichen Erdhalbkugel. Fakt ist jedoch: nur 5,4 Prozent kaufen tatsächlich fair gehandelte Produkte. Zwei Frauen sind gestern angetreten, dies zu ändern: Franziska van Almsick (25) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (60), im folgenden Franzi und rote Heidi genannt.

Dass die rote Heidi da auf einer Pressekonferenz zum fairen Handel in den Arkaden am Potsdamer Platz in Berlin sitzt, geübt Kompetenz verströmend, das ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich ist die Frau Entwicklungshilfeministerin. Aber Franzi, erst schwimmendes Goldkind, später „Molch“ (B.Z.), noch später spektakuläres Comeback – was will die hier?

Sie selbst scheint es auch nicht zu wissen. Sie sitzt in der Mitte, neben der roten Heidi, den Stuhl etwas abgerückt vom Tisch, als gehöre sie nicht dazu. Franzi nestelt ungemütlich am Kragen ihres weißen Rollis, es ist heiß im Scheinwerferlicht, ihre matt-roten Lippen sind schmal. Sie blickt durch den Raum, als hätte sie den Termin eigentlich vergessen, sei vor einer Stunde erst geweckt worden, schnell geschminkt und zur Konferenz gefahren, ohne Frühstück.

Die rote Heidi hat ihre einleitenden Worte gesprochen, über die Notwendigkeit der Hilfe für den Süden und dass es doch so einfach sei, seinen Beitrag zu leisten und so weiter, und jetzt gibt sie das Wort an Franzi. „Schirmherrin“ steht unter deren Namen auf dem Schildchen vor ihr. „Das Wort hat Franziska van Almsick“, sagt die rote Heidi, und Franzi muss jetzt doch ein wenig näher rücken, sonst können die zahlreichen Mikrofone ihre Stimme nicht aufzeichnen, klick klick klick machen die Fotoapparate, aber was soll sie sagen? Äh, wie soll sie anfangen?

„Ja, äh, wie soll ich anfangen?“, sagt Franzi nach einer kurzen Pause, mehr zu sich selbst, aber die rote Heidi, der alte Haudegen, springt ihr sofort zur Seite, beziehungsweise: Sitzt da ja schon, und sagt: „Vielleicht erst mal ’nen Kaffee?“

„Ja, den brauche ich auch gleich“, sagt Franzi, wieder mehr zu sich selbst, aber gleich hat sie sich gefangen.

Sie wisse, um was es geht. Schließlich sei Fairness auch im Sport wichtig. Aber nicht nur im Sport. „Ich habe mich informiert und bin aufgeklärt worden und ich denke, das ist der Punkt.“ Sie wolle öffentlich machen, um was es geht. Und: „Ich werde mich bemühen, Kaffee und Tee aus fairem Handel zu kaufen. Das wird nicht immer gehen, denn ich bin zu faul dafür, wie die meisten Leute auch.“ Es sei wichtig, um was es geht.

Danke, sagt Dieter Kublitz vom Bundesvorstand Verbraucherinitiative. Franzi hat’s geschafft, ist sichtlich entspannt, schau, jetzt lächelt sie sogar. „Vielen Dank“, sagt Kublitz, „ich sehe gerade, dass der fair gehandelte Kaffee jetzt in fair feels good-Tassen ausgeschenkt wird, und ich denke, dass das ganz wichtig ist bei so einer Veranstaltung.“

Und dann sagt Kublitz, er „hoffe, dass Frau van Almsick uns für die gesamte Dauer der Kampagne zur Verfügung steht“, was ein wenig so klingt, als habe er da seine Zweifel. Kublitz spricht von armen Bauernfamilien in Lateinamerika, aber plötzlich ist er irritiert, die Kameras machen klick klick klick, wegen der Bauernfamilien etwa? Franzi nippt am Kaffee klick klick klick, Kublitz begreift: „Man muss vielleicht das fair feels good-Logo nach vorne halten“, sagt er, und die rote Heidi, der alte Haudegen, kommentiert trocken: „Das haben wir klugerweise schon getan.“ – „Ja“, sagt Kublitz, „daran muss man wohl auch denken in dieser Mediengesellschaft.“ Mediengesellschaft! Das ist es! Darum Franzi! Aber zurück zu den armen Bauern. Und Kinderarbeit. Ist illegal, gibt es aber immer noch.

Jetzt ist Norbert Dreßen aus dem Vorstand von Fairtrade dran, spricht energisch, von der Botschaft beseelt: „Der faire Handel blickt auf eine lange Geschichte zurück“, aber die könne man ja nachlesen, auch im Internet (Mediengesellschaft!), Franzi fährt sich mit den gespreizten Fingern der rechten Hand über ihre mattroten Lippen klick klick klick, Dreßen hat ein kleines Zahlenbeispiel mitgebracht: 50 US-Dollar für den Zentner Kaffee auf dem Weltmarkt, Franzi hat schwarz lackierte Fingernägel!

Wir haben nicht viel Zeit, sagt die Pressesprecherin, unten in der Halle müssen die rote Heidi und Franzi noch faire Getränke ausschenken, noch Fragen?

„Frau van Almsick, werden Sie hierfür fair bezahlt, oder tun Sie das für Gottes Lohn?“

„Ich werde nicht fair bezahlt. Und hoffe auf Gottes Lohn“, sagt Franzi. Gottes Lohn, sie soll ihn bekommen.