silke burmester
: Die Dame von heute, Frau ohne Stil

Ich habe ein Problem. Das sitztam Kopf. Es heißt Frisur und stehtmir nicht. Aber dafür gibtes ja Orientierung.

Ich habe braune Haare, in einer schwer zu benennenden Länge zwischen zu lang für kurz und nicht ganz mittellang, die sich mal so, mal so gebärden und alles in allem führungslos sind. Ich hingegen bin orientierungslos. Da ich als Frau durch diese Welt laufe, muss ich Hilfe aus Zeitschriften empfangen. Nun bin ich nicht so naiv, für 3,50 Euro eine Frisurenzeitschrift zu kaufen, in der Annahme, hier eine Lösung für mein Problem zu finden. Das weiß ja jede, dass die Haare nur für den Moment des Fotos gestylt werden und sofort außer Fasson geraten, wenn sich das Fotomodell aus der Genickstarre befreit. In der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung lese ich, dass Jennifer Aniston die Frisur 2004 hat. Super, endlich Orientierung! Das ist ja nun die leichteste Übung, aus einer rausgewachsenen Allegra-Zippeltrendfrisur Haare bis zur Brust zu zaubern.

Doch ich bin auf dem richtigen Weg. Immerhin existiert ein ganzer Zeitschriftenzweig für Frauen ohne Stil. Ich werde von ihnen profitieren. Ich werde InStyle kaufen oder Gala, Glamour oder Jolie, nur um zu sehen, wie die tollen Frauen ihren Gürtel tragen, auf welcher Seite sie das Täschchen halten, welches Täschchen sie halten und ob sie das auf diesen süßen Schläppchen für 245 Euro tun. Ich werde ein Foto von einer tollen Frau finden, mit superschicken Haaren, von Heidi Klum oder Christina Aguilera oder Uma Thurman. Ich werde das Bild ausreißen, damit zum Friseur gehen und sagen: „So will ich aussehen!“

Die Zeitschriften sind voll von diesen tollen Frauen. Sie sind ihre Nahrung, ihre Daseinsberechtigung. Man darf nur nicht den Fehler machen, ein weiteres Medium zur gleichen Zeit zu konsumieren. Denn während München mit seismografischer Sensibilität den neuen Trend zum Bob ausruft, weil Heidi Klum in L.A. damit gesichtet wurde, veröffentlicht eine Hamburger Postille brandaktuelle Fotos, die ihre neueste Liebesbeziehung beweisen sollen. Heidi: Haare bis unter die Achseln. Oder Milla Jovovich. Die schafft vier verschiedene Längen und drei Farben in einer Woche. Noch schlimmer für die hiesigen Zeitschriftenkäuferinnen: Franka Potente. Am schlimmsten: Heike Makatsch. Landeseigene Role Models. Was sie tun, tut man jetzt. Und kaum habe ich ein tolles Foto für den Gang zum Coiffeur ausgerissen – Heike trägt Pony, voll süß! –, zeigt „RTL exclusiv“ Bilder der gestrigen Filmpreisverleihung. Und da hat sie auf einmal wieder halblange Haare. Und Mittelscheitel.

Wir normalen Frauen müssen uns immer zwischen Dingen entscheiden. Entweder kurz oder lang, Pony oder Scheitel. Hund oder Katze. Und wenn wir uns mal für „kurz“ entschieden haben, dann sind die zur nächsten Ausgabe der Bunte immer noch nicht wieder lang. Die Frauen in den Zeitschriften haben diese Probleme überhaupt nicht.

Irgendwann habe ich allerdings den Eindruck gewonnen, es könnte irgendwas mit den Zeitschriften zu tun haben. Es ist ein wenig her, da haben alle tollen Magazine dieser Welt die gleichen Fotos vom halbnackten Robbie Williams veröffentlicht. In der deutschen Zeitschrift hatte er überhaupt keine Haare am Arsch. In der englischen schon.