DIE SPD NEIGT BEIM UMGANG MIT BRANDSTIFTERN ZUR SELBSTGERECHTIGKEIT
: Wohlfühlfaktor Hohmann

Dass Martin Hohmann gehen muss, ärgert viele, und zwar nicht nur seine Sympathisanten in der Union. Auch bei manchen Regierungspolitikern dürfte sich die Freude über den bevorstehenden Abgang Hohmanns in Grenzen halten. Denn mit der letztlich doch noch klaren Trennung der CDU von ihrem Rechtsausleger sind auch die rot-grünen Wohlfühltage vorbei. Wohlfühltage? Das mag zynisch klingen, angesichts der gefährlichen Brandstifterei, um die es geht. Doch zu glauben, dass all die lauten Hohmann-Kritiker nur von lauteren Motiven beseelt wurden, wäre naiv.

In dem für die eigene Klientel so schrecklichen Reformherbst hätte Rot-Grün gar nichts Besseres passieren können als der Fall Hohmann. Endlich wurde nicht mehr über Sozialkürzungen und Kompromisse mit der Union geredet. Endlich gab es wieder ein Thema, bei dem Gut und Böse wunderbar zu trennen waren. Hier die moralisch saubere Regierung, da die moralisch fragwürdige Union. Ein schlichtes Bild, zu dem die Union selbst beitrug, das aber von der SPD nach Kräften gepflegt wurde – insbesondere durch Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt. Er griff die Union pauschal an und verlangte im Stil des amerikanischen Kommunistenjägers McCarthy, alle CDU-Abgeordneten auf rechtes Gedankengut zu überprüfen.

Noch dreister ist die Forderung der SPD, auch den türkenfeindlichen CDU-Abgeordneten Henry Nitzsche auszuschließen. Alles Forderungen, die vor Selbstgerechtigkeit strotzen. Was ist denn mit dem Rastatter SPD-OB geschehen, der über Asylbewerber sagte, sie sollten „zurück in den Kongo gehen, wo sie ums Feuer tanzen können, bis sie schwarz werden, was sie aber schon sind“? Er ist im Amt. So berechtigt die Aufregung um Hohmanns Antisemitismus ist: Wenn es um Hasstiraden gegen andere Minderheiten geht, zeigt sich auch die SPD nachsichtig. Und auch Journalisten sollten sich vor selbstgefälligen Kommentaren hüten. Was ist denn mit all den Pressemitteilungen passiert, in denen Hohmann jahrelang über Schwule, Deserteure und Muslime herzog? Sie landeten nicht auf Seite eins, sondern im Papierkorb. LUKAS WALLRAFF