Die Schlaue und das Biest

BERLIN taz ■ Seine größte Schwäche ist sein schönster Vorteil. Günther Oettinger (51) ist eigentlich nur in seinem 10-Millionen-Einwohnerland richtig bekannt. Annette Schavan (49) hingegen, seine Konkurrentin um das Amt des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg, stammt noch nicht mal aus dem Land der Badener, Schwaben und Württemberger.

Dabei hat sich Oettinger alle Mühe gegeben, bundesweite Bekanntheit zu erringen. Als Vorsitzender der Jungen Union – der in Stuttgart Geborene saß damals im Landtag – forderte er 1988 den Rücktritt Helmut Kohls. Wegen Führungsschwäche. Selbige wollte Oettinger offenbar beweisen, als er die Frauenunion mit dem hübschen Kompliment „Krampfadergeschwader“ schmähte.

Oettinger ist die Personifizierung des baden-württembergischen Werbeslogans „Wir können alles außer Hochdeutsch“. Er spricht Dialekt, er spricht schnell, und er gilt als großer Taktiker, der es seit je auf den Job seines Chefs Erwin Teufel abgesehen hat. Gegenüber der FAZ drohte Oettinger kürzlich, wenn der Ministerpräsident noch einmal antrete, scheide er aus der Politik aus. Aber falls Teufel ihm das Amt 2008 übergeben sollte, dann „könnte ich nicht schroff einfach Nein sagen“.

Oettinger bereitete dem Ministerpräsidenten Erwin Teufel schon bei dessen erster Wahl im Landtag 1996 eine schmähliche Niederlage. Im ersten Wahlgang bekam der neue Landesfürst nicht die erforderliche Mehrheit – und glaubte zu wissen, wo er den Schuldigen zu suchen hatte. In Fraktionschef Oettinger.

Solche Sätze wären der Bewerberin um die Ministerpräsidentenstelle nie über die Lippen gekommen. Wenn Annette Schavan (CDU) das Wort ergreift, dann herrscht in der Regel gespannte Aufmerksamkeit. Die Kultusministerin ist schlau. Sie beeindruckt auch Gegner durch ihre intellektuelle Reichweite – und unterdrückt damit wohl auch so manchen. Schavan war vor wenigen Monaten im kleinsten Kreis der Kandidaten für die Bundespräsidentschaft.

Die Katholikin wurde von Teufel als Quereinsteigerin an die Spitze des Schulressorts geholt – und stieg dort schnell zum Star unter den deutschen Kultusministern auf. Wer relevante Positionen zu Bildungsfragen hören will, muss Schavan auf dem Zettel haben. Ihre überraschendste Stärke ist zugleich ihr schwerwiegendster Nachteil. Frau Schavan gehört zu den ersten Frauen in der Republik, die fach- und machtpolitisches Gewicht gleichermaßen besitzen. Sie gehört zum Küchenkabinett von Angela Merkel. Oder, wie Machiavellis sagen würden: Sie hat Zugang zur Machthaberin.

CHRISTIAN FÜLLER