Geringste Arbeitslosigkeit, höchste Bildung

Erwin Teufel mag 13 Jahre unauffällig regiert haben, doch die Ergebnisse seines Bundeslandes sind geradezu spektakulär

BERLIN taz ■ Baden-Württemberg ist das Bundesland mit der geringsten Arbeitslosigkeit. Nur 6,1 Prozent der knapp 5 Millionen Erwerbstätigen im Südwesten waren im Mai dieses Jahres ohne Job – das sind weniger als im Rest der Republik von Bayern (6,5 Prozent) bis Sachsen-Anhalt (20,1 Prozent). Das Land um die Boomregionen Karlsruhe und Stuttgart ist nicht nur traditionell stark, sondern zugleich ein Motor der Modernisierung.

Stärker als andere Bundesländer muss sich das Ländle auf die bevorstehende Alterung seiner Bevölkerung einstellen – sonst hat es nicht mehr genug qualifizierte Menschen, um seine florierende Wirtschaft zu betreiben. Ein Fünftel des deutschen Exports kommt aus Baden-Württemberg, Neben Global Playern wie DaimlerChrysler (Sindelfingen), Porsche (Zuffenhausen) und Audi (Neckarsulm) suchen diverse Weltmarktführer aus dem Mittelstand nach guten AbsolventInnen. Daher betreibt das Land, egal ob in der Landesregierung oder in der Wirtschaft, die progressivste Wissenspolitik in Deutschland – sie setzt auf Klasse und Masse.

„Wir wollen nicht das Schulsystem revolutionieren, sondern viele geeignete Bewerber finden“, sagt Ekaterina Kouli vom Baden-Württembergischen Handwerkstag. Dabei ist das, was die anderswo oft so konservative Handwerkerschaft in Stuttgart zu bieten hat, nichts weniger als spektakulär. Sie will die gegliederte Schule in eine „Schule für alle“ umwandeln, bei der möglichst vielen Schülern das Maximum an Kenntnissen vermittelt wird. Selbstverständlich vertritt die offizielle Bildungs- und Wissenschaftspolitik in Stuttgart nicht offen die Position einer Schule für alle. Aber die Entscheidungen, die im Hause der Kultusministerin Annette Schavan (CDU) fallen, deuten in die gleiche Richtung. Während Bayern die Zahl seiner Abiturienten aus Prinzip klein hält (unter 20 Prozent), geht das Nachbarland einen anderen Weg. Es verleiht einem Drittel eines Jahrgangs das Abitur, und es tut dies selbst an beruflichen Schulen – knapp 30 Prozent der künftigen StudentInnen werden inzwischen an technischen oder Wirtschaftsgymnasien ausgebildet.

Die Ergebnisse des Bildungslandes Baden-Württemberg sind bereits jetzt ansehnlich. Bei einem Grundschulvergleich (Pisa für Zehnährige) erzielten die kleinen Stuttgarter, Konstanzer, Mannheimer und Freiburger die höchsten Kompetenzwerte. Dennoch reformiert das Land sein Schulsystem weiter. Als erstes Bundesland hat es eine altersgemischte Eingangsstufe in der Grundschule eingeführt – so ungewöhnlich wie fortschrittlich für ein Land, das rhetorisch noch an der Sortierung der Schüler nach Begabung festhält.

Baden-Württembergs Politik hat keine andere Wahl. Will es seine Spitzenposition halten, geht dies nicht mit Tradition allein. 7 von 12 der deutschen Tophochschulen liegen im Ländle. Und im deutschen Wohlstandsranking liegt das von Erwin Teufel (CDU) so unauffällig regierte Land auf Platz 2 (hinter Hamburg). CHRISTIAN FÜLLER