Erfolg für Guantánamo-Häftlinge

Oberster US-Gerichtshof nimmt Klage mutmaßlicher, auf Kuba internierter Terroristen an. Damit riskieren die Richter eine offene Konfrontation mit der Bush-Regierung. Diese will um jeden Preis am rechtlosen Status der Gefangenen festhalten

aus Washington MICHAEL STRECK

Der Oberste Gerichtshof der USA hat sich in die umstrittene Inhaftierung mutmaßlicher Terroristen auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo auf Kuba eingeschaltet. Er stimmte am Montag einer Klage im Namen ausländischer Gefangener zu, die durch das „Center for Constitutional Rights“ eingereicht wurde, eine liberale Anwaltskanzlei und Lobbygruppe in New York. US-Gerichte hatten zuvor mehrfach entschieden, dass sie keine Befugnisse über nichtamerikanische Staatsbürger im Ausland hätten, da Kuba kein Hoheitsgebiet der USA sei. Mit einem Urteil wird frühestens im Sommer 2004 gerechnet.

Die Entscheidung kam überraschend. Die Richter begründeten nicht, warum sie sich plötzlich in die Debatte darüber einmischen, ob die Reaktion der US-Regierung auf die Anschläge vom 11. September in Bezug auf die Behandlung von Gefangenen eine angemessene Balance zwischen US-Sicherheitsinteressen und Bürgerrechten darstellt.

Seit über zwei Jahren befinden sich die 660 mutmaßlichen Terroristen in einem rechtsfreien Raum. Sie werden auf unbestimmte Zeit festgehalten, ohne juristische Beratung, Anklage, Beweisaufnahme, Zugang zu ihren Familien und die Möglichkeit, ihre Unschuld zu beweisen. „Die USA haben in Guantánamo ein Gefängnis errichtet, das außerhalb jeglichen Rechts arbeitet“, heißt es in einer Erklärung der Anwälte von 12 Kuwaitern, zwei Briten und zwei Australiern, in deren Namen die Klage eingereicht wurde. Die US-Regierung hat sich stets geweigert, auf sie die Regeln der Genfer Konvention anzuwenden. Diese legen fest, dass Gefangene zumindest von einem Gericht angehört werden müssen, bevor man sie als „feindliche Kämpfer“ deklarieren darf. Diese Gefangenen-Kategorie verleiht George W. Bush durch Dekret – ein Verfahren, das Bürgerrechtler und Experten als Willkür bezeichnen. Auch die angekündigten Militärtribunale scheinen im Sand zu verlaufen. Kein einziger Fall wurde verhandelt. „Guantánamo kann nicht für ewig ein rechtloses menschliches Lager bleiben“, schreibt die Washington Post.

Der Gerichtshof muss nun die zentrale Frage über den Charakter des Militärstützpunktes auf Kuba klären. Dieser ist Teil des kubanischen Territoriums, dennoch verfügen die USA über einen Souveränitätsstatus, der nach dem Pachtrecht mit „völliger Kontrolle“ beschrieben wird. Die Frage ist wichtig, da auch Ausländer, sollten sie sich in US-Hoheitsgebiet aufhalten, das Recht auf einen Anwalt haben.

Die juristischen Spitzfindigkeiten der Klage beiseite gelassen – haben zivile Bundesgerichte in den USA die Befugnis, über die Rechtmäßigkeit von Verhaftungen ausländischer Staatsbürger zu entscheiden, die im Ausland in Verbindung mit anhaltenden Feindseligkeiten festgenommen wurden und außerhalb der USA interniert werden? –, wagen die Richter die offene Konfrontation mit der Bush-Regierung. Diese will mit Verweis auf den Krieg gegen den Terror Gefangene unbegrenzt festhalten – eine Position, mit der das Weiße Haus international isoliert ist.