Babymilch vitaminlos tödlich

Nach dem Tod von drei Säuglingen in Israel gerät Humana unter Druck

JERUSALEM/BERLIN taz ■ Humana Milchunion, der deutsche Hersteller für Babymilch, hat „auf eigene Faust und ohne unser Wissen“ auf den Zusatz des Vitamins B 1 verzichtet, erklärte Israel Leschem gestern vor dem parlamentarischen Sozial- und Gesundheitsausschuss in Jerusalem. Leschem ist Anwalt der Firma Remedia, über die das Herforder Unternehmen Humana koschere Ersatzmilch auf Sojabasis in Israel vertreibt. Dort waren in den vergangenen Wochen drei mit dieser Milch gefütterte Babys an B 1-Vitaminmangel gestorben. 20 weitere Säuglinge sind schwer erkrankt. Humana räumte gestern Fehler ein.

Die drei Säuglinge waren in der vergangenen Woche mit Atembeschwerden, schwerem Zittern und Ohnmachtsanfällen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Symptome ähneln der Beriberi-Krankheit, an der sonst nur Kinder aus der Dritten Welt leiden. „Fehlt Vitamin B 1, kommt es zu schweren Nervenschäden“, erläutert Klaus Pietrzik von der Bonner Gesellschaft für angewandte Vitaminforschung. Das Vitamin sorgt dafür, dass Nerven und Muskeln reibungslos funktionieren. Der Körper kann es nicht in großen Mengen speichern. So ist der Mensch auf die tägliche Ration etwa aus ungeschältem Reis, Haferflocken oder Fleisch angewiesen.

Humana sei davon ausgegangen, das in Soja natürlich enthaltende Vitamin B 1 sei ausreichend, sagte Remedia-Anwalt Leschem gestern. Die Herforder Firma habe Ende März diesen Jahres die mit der Partnerfirma „vereinbarte Zugabe einer künstlichen Vitamin-Mischung“ bewusst gestoppt. Die Geschäftsleitung von Humana erzählte gestern das indes anders: Der Sojamilch sei wegen fehlerhafter Berechnungen zu wenig Vitamin B 1 beigemischt worden. Menschliches Versagen in der Produktionskontrolle sei die Ursache.

Die fraglichen Remedia-Dosen sind mittlerweile vom Markt genommen worden. In Deutschland soll es zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr gegeben haben, versicherte Humana-Sprecher Dieter Jacobi. Remedia-Sojamilch sei ausschließlich für den israelischen Markt bestimmt, die Produktion „vor Ort von Rabbinern überwacht“ worden. Die in deutschen Supermärkten erhältlichen sojahaltigen Produkte „Humana SL milchfreie Flaschennahrung“ und Humana SL Brei“ hätten ein anderes Rezept.

In den Büros der Remedia beschlagnahmte die israelische Polizei gestern Unterlagen und Computer. Ein Untersuchungsbeamter rechnet mit „ernsthaften Folgen“. Mehrere Mitarbeiter, darunter der Generaldirektor Gidi Landsberger, wurden unter dem Verdacht der „fahrlässigen Tötung“ verhört. Parallel dazu reiste eine Delegation des Gesundheitsministeriums nach Deutschland, um zu prüfen, ob es sich bei dem Fall um „kriminelle Fahrlässigkeit“ oder „gezielte Sabotage“ handelt. Auch das Verbraucherministerium in Düsseldorf ist eingeschaltet.

SUSANNE KNAUL
HANNA GERSMANN