theater
: Zurückhaltung und Leidenschaft

Also: Einer liebt eine, aber die liebt einen anderen. Nur: Der ist gar kein Mann, sondern eine als Mann verkleidete Frau und liebt als solche den einen.

Wo es so was gibt? Nicht nur in der Operette, sondern auch bei Shakespeare. Gerade bei Shakespeare: Der königliche Dramendichter hat aus Dreiecksliebeleien mit Geschlechterverwirrung und üppig wuchernden Nebenhandlungen einige seiner schönsten Komödien geschaffen. Eine davon ist der Verwechslungsklassiker „Was ihr wollt“, den das Kölner Rose-Theegarten-Ensemble an der Studiobühne in der Universitätsstraße zu neuem Leben erweckt hat.

Das Mädchen Viola wird nach einem Schiffbruch an den Strand gespült. Um als allein stehende Frau nicht unter die Räder zu kommen, tritt sie in Männerkleidung als Jüngling Cesario in herzoglichen Pagendienst. Und wenn nun also der Herzog die Gräfin Olivia liebt, diese aber nichts von ihm wissen will, weil sie Cesario viel schöner findet, auch wenn der als Viola dem herzoglichen Arbeitgeber hinterherschmachtet, dann ist das eigentlich schon Stoff genug für einen Theaterabend.

Doch es gibt auch noch Tobias von Rülps, Olivias Onkel, der seinem Saufkumpan gemeine Streiche spielt, und die Zofe Maria, die mit dem eitlen Haushofmeister das Gleiche tut. Und es gibt einen Narren, der amüsante Tiefsinnigkeiten von sich gibt, weise Lieder singt und dem Haushofmeister in Pastorenkleidung eine Gardinenpredigt hält.

Shakespeares „Was ihr wollt“ ist eines der wortprächtigen, etwas langatmigen Gesamtkunstwerke, wie die Renaissance sie liebte. So etwas neu auf die Bühne zu bringen und heutigen ZuschauerInnen nahe zu bringen, gehört zu den großen Herausforderungen des zeitgenössischen Theaters. Um es gleich vorweg zu nehmen: Dem Rose-Theegarten-Ensemble gelingt es mit Bravour. Und zwar durch eine mutige, leichtfüßige und blitzsaubere Inszenierung.

Regisseur Thomas Wenzel hat den Ursprungstext neu übersetzt und sehr behutsam in eine moderne Sprache übertragen, die den Akteuren leicht und ohne Pathos über die Lippen geht. Auch mit der strengen Szenenstruktur und den vielen Auf- und Abgängen weiß Regisseur Wenzel umzugehen. Er lässt seine Schauspielerinnen und Schauspieler fast unmerklich in die Handlung tänzeln und anschließend genauso schnell wieder daraus verschwinden, während einen Meter weiter schon der Nächste die Bühne betritt.

Überhaupt– die Bühne: Nur aus einer schiefen Ebene und ein paar Vorhängen besteht Jupp Wagners schlicht-elegantes Meisterwerk, den Rest erledigt das Licht. Durch seinen phantasievollen Einsatz entstehen Nebenbühnen und verwandeln sich Szenenbilder in Gemälde.

Es sind die vielen, vielen guten Einfälle und die bis in die letzte Kleinigkeit saubere und stimmige Arbeit aller Beteiligten, die diese Inszenierung so angenehm machen: die perfekte Mischung aus Leidenschaft und Zurückhaltung im Spiel, die exakte Übereinstimmung von Text und Bild, der pointierte Einsatz der Requisiten – und Rainer Conrad als kölscher Pastor Tuppes beim Levitenlesen.

Dem Kölner Schauspiel geht es schlecht, und auch die freie Szene wird nicht immer gut behandelt, doch Aufführungen wie diese beweisen, dass Eigeninitiative und kreatives Potenzial in dieser Stadt noch immer kleine Wunder vollbringen können.Holger Möhlmann

„Was ihr wollt“: Studiobühne Köln, Universitätsstr. 16 a, Kartenvorbestellungen unter der Telefonnummer: 0221/470 45 13; nächste Vorstellungen: 27.-31.10., jeweils um 20 Uhr