american pie
: Slapstickshow mit Manny Ramirez

Die St. Louis Cardinals gerieten in der World Series des Baseball gegen die Patzerkönige aus Boston mit 0:2 in Rückstand und hoffen jetzt auf ihre Heimstärke

Als sich das zweite Match der World Series der Major League Baseball im Fenway Park von Boston seinem Ende zuneigte, begannen sich die Fans der gastierenden St. Louis Cardinals im Stadion und an den Fernsehschirmen ernsthaft zu fragen, wie viele haarsträubende Fehler der Red Sox ihr Team eigentlich braucht, um endlich mal ein Spiel gegen die Bostoner zu gewinnen. Vier „Errors“ hatten die Gastgeber im ersten Match begangen – und mit 11:9 gewonnen. Vier hatten sie sich auch im zweiten Match geleistet – und 6:2 gewonnen.

Das letzte Baseball-Team, das vier Errors in einem Meisterschaftsspiel hatte, waren die Milwaukee Brewers gewesen – vor 22 Jahren. Das Team mit dem bisherigen Rekord für Fehler in den ersten beiden Partien einer World Series waren bis zum Sonntag die Detroit Tigers gewesen, die es auf sieben brachten – das war im Jahre 1909. „Gut, dass die Spiele so spät am Abend stattfinden“, spottete die New York Times jetzt über die Red Sox, „,man möchte nicht, dass die jungen Nachwuchsspieler so etwas sehen.“ Fallengelassene Bälle, Würfe ins Leere und als Clou eine Performance des für solche Dinge berüchtigten Manny Ramirez, der einen Ball besonders effektvoll fangen wollte und dabei slapstickhaft stolperte. Nachhaltig geschadet hat ihnen all das nicht. „Vielleicht ist vier ja unsere Glückszahl“, scherzte Manager Terry Francona, fügte aber hinzu: „Ich würde es gern mal ohne sie probieren.“ So wie in der sensationell mit 4:3 gewonnenen Serie gegen die New York Yankees zum Beispiel, wo Boston in sieben Matches nur ein einziger Error unterlief.

Die Cardinals jedenfalls konnten es kaum fassen, dass sie mit einem 0:2-Rückstand zurück nach St. Louis reisen mussten. Schlechtes Pitching und eine erstaunliche Formkrise ihrer drei Stars Albert Pujols, Scott Rolen und Jim Edmonds, die sonst die Bälle fast nach Belieben treffen, hatte verhindert, dass die beste Offensive der Major League aus den defensiven Wirrnissen der Red Sox Kapital schlagen konnte.

Im heimischen Busch Stadium soll das alles anders werden. Dort haben die Cards ihre sechs bisherigen Playoff-Matches allesamt gewonnen, während sie in fremden Arenen in sieben Partien nur einmal siegten. Eine Auswärtsschwäche, die sich in St. Louis niemand erklären kann, denn während der regulären Saison waren die Cardinals auswärts und daheim mit 52 bzw. 53 gewonnenen Spielen praktisch gleichstark. Im zugigen Fenway Park von Boston konnte man ihnen bei kühlem und regnerischem Wetter ihr Unwohlsein aber jederzeit ansehen. „Manchmal hat sogar der Wind ein bisschen geheult“, grauste sich Scott Rolen noch hinterher.

Bostons Pitcher Curt Schilling, der am Sonntag trotz eines schwer lädierten Knöchels erneut eine sensationelle Leistung bot und in sechs Innings nur vier Hits zuließ, weiß, welch schwierige Aufgaben noch auf sein Team zukommen. „Ich garantiere euch“, sagte er, „dieses Team glaubt an sich, so wie wir an uns.“ Zwar ist es erst fünf Mannschaften gelungen, nach einem 0:2 in der World Series noch Champion zu werden, aber was solche Zahlen bedeuten, bewiesen ja gerade die Red Sox, als sie gegen New York als erstes Team überhaupt ein 0:3 wettmachten. In St. Louis waren die Cardinals in diesen Playoffs jedenfalls bisher ein ganz anderes Team. „Wir spielen gern auswärts“, sagt Manager Tony La Russa, „aber wir lieben es, zu Hause zu spielen.“

In St. Louis gibt es zwar das Eishockeyteam der Blues, und man würde gern ein Basketballteam aus der NBA in die Stadt locken, aber vor allem zählt hier Baseball. Entsprechend begeistert sind die Fans, entsprechend lautstark unterstützen sie ihre Mannschaft. „Baseball ist hier ein Fest“, sagt Rolen, und La Russa meint: „Das Adrenalin beginnt zu fließen und du wirst stärker und schneller.“

Doch selbst, wenn die Cardinals ihre drei Heimspiele gestern Nacht, heute und morgen gewinnen sollten, haben sie ein kleines Problem – jenes, das ihnen schon bei ihrer letzten World Series 1987 zum Verhängnis wurde. Da unterlagen sie den Minnesota Twins, weil sie alle vier Auswärtspartien abgaben. Diesmal könnte ihnen eine Regel zum Verhängnis werden, die vor zwei Jahren eingeführt wurde. Seitdem erhält diejenige Liga Heimvorteil in der World Series, die das All-Star-Match gewinnt. Und dort siegte die American League, der Boston angehört, gegen die National League. Ein entscheidendes Spiel 7 also würde am Sonntag im zugigen und grausligen Fenway Park von Boston stattfinden. MATTI LIESKE