Harte Strafen für Elf-Manager

Pariser Gericht verurteilt die Drahtzieher des Schmiergeldskandals zu mehrjährigen Haftstrafen. Prozess enthüllte auch Praktiken des internationalen Ölgeschäfts

Die Urteile zielenvor allem auf dieOrganisatoren desSchmiergeldsystems

PARIS taz ■ Mit harten Strafen endete gestern Nachmittag in Paris der größte Schmiergeldprozess der französischen Geschichte. Die Hauptangeklagten – sowohl die einstigen Spitzenmanager des Konzerns Elf als auch ihre Mittelsmänner, darunter ein Vertrauter von Exbundeskanzler Helmut Kohl, der die Minol-Leuna-Privatisierung organisierte – bekamen hohe Haftstrafen plus Geldbußen zwischen 1 und 2 Millionen Euro. Die Justiz hält für erwiesen, dass sie ein „System“ organisiert haben, das zur Umleitung von 190 Millionen Euro aus den Firmenkassen in persönliche Kanäle gedient habe.

Loik Le Floch-Prigent, der das Unternehmen Elf von 1989 bis 1993 leitete, muss für fünf Jahre ins Gefängnis. Er war bis in die 90er-Jahre einer der führenden französischen Industriekapitäne. An die Spitze von Elf war er von Staatspräsident François Mitterrand berufen worden. Nach Elf leitete Le Floch-Prigent unter anderem die französische Eisenbahn SNCF mit 180.000 Beschäftigten. Die Justiz nennt ihn den Hauptverantwortlichen für das „System Elf“, bei dem bei allen Investitionen – von Lateinamerika über Afrika bis hin nach Süd- und Mitteleuropa – Geld in dunkle Kanäle floss.

Der ehemalige rechte Arm des Chefs, Alfred Sirven, erhielt gestern ebenfalls 5 Jahre. Sirven hatte jahrelang in verschiedenen Unternehmen mit Le Floch-Prigent zusammengearbeitet. Im Pariser Elf-Turm war er auch dafür zuständig, Schmiergelder zu verteilen, um das Zustandekommen von Ölgeschäften zu ermöglichen. Nachdem in den Jahren zuvor Elf systematisch die Machthaber in den Ölförderländern mit großen Summen bedacht hat, sorgte Sirven dafür, dass auch die Oppositionen und bewaffnete Oppositionen in Bürgerkriegsländern wie Angola Schmiergeld aus den Erdölgeschäften bekamen.

Am überraschendsten ist das gestrige Urteil für den dritten Mann aus der Elf-Chefetage. André Tarallo, der einstige „Monsieur Afrique“ von Elf, der die Geschäfte auf dem schwarzen Kontinent einfädelte und als Freund in den Palästen der örtlichen Machthaber verkehrte. In Afrika verstand er sich als verlängerten Arm der französischen Außenpolitik. Vor Gericht verteidigte er seine Finanz-Machenschaften, darunter den Bau einer millionenteuren Villa auf Korsika, als Operationen im Auftrag von Gabuns Staatschef Omar Bongo. Das Gericht verurteilte Tarallo zu vier Jahren Gefängnis. Eine mehrjährige Haftstrafe erhielt auch der Ex-Elf-Beauftragte für Raffinerien, Alain Guillon. In der Verhandlung hatte er sich als Gegner von Korruption dargestellt.

Diskret hatte sich der deutsche Geschäftsmann Dieter Holzer vor dem französischen Gericht gegeben. Der Bayer hatte im Tandem mit dem französischen Geheimdienstmann Pierre Lethier den Verkauf der „Minol“-Tankstellen und der Leuna-Raffinerie aus der einstigen DDR an das französische Unternehmen Elf eingefädelt. Für ihre „Lobbyingarbeit“ bekamen die beiden 1992 den größten einzelnen Brocken aus den Elf-Schmiergeldern: 47 Millionen Euro. Gestern wurden sie zu je 15 Monaten Gefängnis sowie Geldstrafen verurteilt.

Insgesamt waren 37 Personen angeklagt. Mit seinen Urteilen zielt das Gericht vor allem auf die Organisatoren des Schmiergeldsystems. Die Kofferträger und einzelne Nutznießer blieben verschont. Das Gericht sprach sieben Angeklagte frei.

Der jetzt zu Ende gegangene Prozess warf Schlaglichter auf das internationale Ölgeschäft. Mehrere einstige Spitzenmanager von Elf erklärten vor Gericht, dass derartige Schmiergeldpraktiken in der Branche üblich seien. Für die möglichen politischen Nutznießer des Schmiergeldgeschäftes interessierte sich das Gericht nicht. Der Hauptangeklagte Le Floch-Prigent ließ durchblicken, dass einige von ihnen noch heute in Paris auf verantwortlichen Posten seien.

DOROTHEA HAHN