Verstrahlte Post für Landeschefs

Die münsterländischen Atomgegner wenden sich per Post an die Regierungen in Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Grund ist der geplante Atommüll-Transport ins Zwischenlager Ahaus. NRW Landesregierung spielt auf Zeit

AHAUS taz ■ Die Münsterländer Anti-Atom-Initiativen wenden sich im Kampf gegen geplante Atommülltransporte vom sächsischen Rossendorf nach Ahaus an die zuständigen Landesregierungen. In offenen Briefen werden der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) und sein sächsischer Kollege Georg Milbradt (CDU) aufgefordert, sich gegen die geplanten Transporte auszusprechen. „Wir erwarten von der NRW-Landesregierung, dass sie die für den 10. November angesetzten Koordinierungsgespräche mit der sächsischen Staatsregierung absagt und sich entschieden gegen den Mülltourismus ausspricht“, sagt Matthias Eickhoff von der Initiative „Widerstand gegen Atomanlagen“. Die Regierung sei gegenüber Sachsen „eingeknickt“.

Ursache für den Streit ist eine Entscheidung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) aus der letzten Woche. Das BfS hatte einen Widerspruch der NRW-Landesregierung gegen die Transporte aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf nach Ahaus abgewiesen. NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) hatte die Entscheidung des Bundesamtes als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet. 18 Castor-Behälter mit 951 Brennstäben sollen in das Brennelemente-Zwischenlager nach Ahaus gebracht werden. Ein genauer Termin für den Castortransport steht allerdings noch nicht fest.

Die Initiativen beklagen sich vor allem über die schlechte Informationspolitik sowie die nicht nachvollziehbare Argumentation der Landesregierung. „Es kann für die Menschen im Münsterland nicht darum gehen, die Kosten des Polizeischutzes hochzurechnen, sondern um sichere Entsorgung“, sagt Eickhoff. Er forderte dazu auf, gegen die Einlagerungs- und Transportgenehmigung zu klagen. „Für Ahaus muss ein Einlagerungsstopp ausgesprochen werden.“ Die Bürgerinitiativen wandten sich außerdem an Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) mit der Bitte, dafür zu sorgen, dass das Bundesamt die Genehmigung zurückzieht.

Auch innerhalb der Düsseldorfer Koalition ist das Thema weiterhin unbeliebt. Die Sozialdemokraten beschweren sich über das „formaljuristische und bürokratische“ Umgehen des Bundesumweltministeriums mit seinen nordrhein-westfälischen Partnern. Das grüne Landesumweltministerium verweist regelmäßig auf die Federführung des NRW-Innenministeriums.

„Wenn die Transporte kommen, werden wir sie in jedem Fall blockieren“, sagt Eickhoff. Dabei werde man dafür sorgen, dass es nicht nur bei der Ankunft des Atommülls Probleme gibt. „Auch den Rücktransport der leeren Behälter werden wir erschweren“, so Eickhoff.

Ob die Castorbehälter über die Schiene, oder wie von der sächsischen Staatsregierung gewünscht per LKW transportierte werden, ist dabei immer noch unsicher. Im letzteren Fall verweist Innenminister Fritz Behrens wegen der prekären Straßenverhältnisse schon einmal auf einen Termin frühestens im Frühjahr 2005 – am besten nach der Landtagswahl am 22. Mai.

HOLGER PAULER