Türken im Revier mahnen Stoiber

Die Türkische Gemeinde Rhein Ruhr ist sich sicher, dass durch EU-Beitrittsbehandlungen die Integration der Türken im Land vorangetrieben wird. Sie warnt CDU/CSU vor einer weiteren Instrumentalisierung des Türkei-Beitritts

RUHR taz ■ Wenn die Türkei in der EU wäre, würde dies auch die Integrationslust der hier lebenden Menschen mit türkischer Herkunft steigern. Davon geht die Türkische Gemeinde Rhein Ruhr (TGRR) aus, die eigenen Angaben zufolge 150.000 Türkischstämmige im Ruhrgebiet vertritt. Alleine die Entschließung zu Beitrittsverhandlungen seitens der EU-Länder würde den Türken in Deutschland zeigen, dass sie hier zu Hause sind, sagte Pressesprecher Oylar Saguner gestern in Essen. „Die Deutschen könnten dann in ihrer Heimat Urlaub machen und die Türken in ihrer Heimat arbeiten“, malt er mit einem Zitat des Kabarettisten Muhsin Omurca sein Bild einer EU-Heimat für alle.

Saguner begrüßt den Rückzug der Unterschriftenkampagne der CDU/CSU, die einen Volksentscheid über die Aufnahme der Türkei in die EU zum Ziel hatte. „Gleichzeitig aber möchten wir den bayrischen Ministerpräsidenten und die gleichgesinnten CDU-Mitglieder vor einer Instrumentalisierung des Beitritts der Türkei in die EU bei den kommenden Landtags- und Bundestagswahlen warnen“, sagt Saguner. Solche Bemühungen würden dem pluralistisch-demokratischen Erscheinungsbild Deutschlands nur schaden und alte Hysterien in Europa und der Welt gegenüber Deutschen wiedererwecken. Auch Faruk Sen, Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT), hatte vergangene Woche die Unterschriftenaktion stark kritisiert: „Unabhängig davon, ob man den Beitritt wünscht oder nicht: Man sollte zumindest Respekt vor den Hoffnungen der 2,6 Millionen in Deutschland lebenden Türkeistämmigen haben“, so Sen. Eine solche Unterschriftenaktion sei ein Störfeuer für die Integration der hier lebenden Türken.

Etwa 500.000 Menschen mit türkischer Herkunft leben im Ruhrgebiet. Von ihnen besitzt etwa ein Drittel die deutsche Staatsbürgerschaft. Durch einen EU-Beitritt der Türkei könnten es jedoch viel mehr werden, ist sich der TGRR-Vorsitzende Mustafa Okur sicher. „Die Menschen würden sich hier angenommen fühlen und hätten keinen Grund mehr, an der türkischen Staatsbürgerschaft festzuhalten“, sagt er. Auch für ihn, der nicht so gut Deutsch spreche, sei Deutschland „eine Heimat“. Für künftige Generationen müsse es wichtig sein, dass sie perfekt Deutsch können. Er unterstütze auch die Passage im Zuwanderungsgesetz, die „Export-Ehepartner“ zu Deutsch-Kursen zwinge.

Durch „solche Idioten wie Metin Kaplan“ dürfe nicht der Integrationswille der hier lebenden Muslime in Frage gestellt werden, die Türken seien laizistisch erzogen, so TGRR-Sprecher Saguner vor dem morgigen Jahrestag der Staatsgründung der Türkei. Über neunzig Prozent der Türken im Revier seien für einen Beitritt zur Europäischen Union, obwohl viele befürchteten, dass „die Deutschen uns immer als Ausländer betrachten werden.“

NATALIE WIESMANN