Thyssen kauft sich eine Uni

ThyssenKrupp kooperiert noch enger mit der Duisburger Uni. Studentenvertreter beklagen fehlende Debatte über die zunehmende Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln aus der Industrie

VON ULLA JASPER

Als Reaktion auf die Finanzkrise der Hochschulen in NRW vertieft die Uni Duisburg-Essen nun ihre Kooperation mit ThyssenKrupp. Doch Studierendenvertreter beklagen, dass fehlende staatliche Finanzmittel und eine zunehmende Orientierung der Forschung am wirtschaftlichen Nutzen eine ernste Bedrohung für die Freiheit der Lehre darstellen.

Nachdem die Hochschule erst im vergangenen Monat eine Stiftungsprofessur für Naturheilkunde der Alfried-Krupp Stiftung eingerichtet hatte, vereinbarte nun auch das Institut für angewandte Materialtechnik, das am Campus in Duisburg angesiedelt ist, eine engere Zusammenarbeit mit externen Geldgebern. Die ThyssenKrupp Stahl AG und das Institut werden für eine Dauer von mindestens drei Jahren in Forschung und Lehre sowie bei der Förderung von Studenten zusammenarbeiten.

Doch weder ThyssenKrupp noch die Hochschule äußern sich dazu, wie die Förderung des Instituts und der Studenten konkret aussehen wird: „Der Umfang sowie die einzelnen Aktivitäten der Kooperation werden je nach den aktuellen Bedürfnissen und hinsichtlich ihrer Priorität jährlich festgelegt“, so der Prorektor der Uni, Eckart Hasselbrink. Thyssen Krupp veröffentliche generell keine näheren Angaben zum finanziellen Umfang der Zusammenarbeit mit Hochschulen, erklärt auch Pressesprecher Erwin Schneider.

Dass die Uni durch die engere Kooperation anfälliger werde für die Einflussnahme der Geldgeber, glaubt er jedoch nicht. Auf die Lehre an den Unis wolle man keinen Einfluss nehmen. „Wir werden höchstens hin und wieder mal einen Vorschlag machen, was geforscht werden könnte“, spielt Schneider die Rolle der Industrie herunter. Und Gewinne oder Ergebnisse erhoffe man sich von der Zusammenarbeit nicht. „Wenn wir damit ein bisschen Nachwuchs rekrutieren können, sind wir schon froh.“

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Uni Duisburg-Essen betrachtet die Entwicklung dennoch kritisch. Zwar sei ein Thema wie die Materialtechnik einerseits ein „klassisches Kooperationsgebiet“ für Hochschulen und Industrie. Doch andererseits müsse man bezweifeln, dass die Freiheit der Forschung trotz der zunehmenden Abhängigkeit von Fördergeldern aus Industrie und Wirtschaft noch gewährleistet sei, kritisiert AStA-Sprecher Thomas Falk. Bedenklich findet der AStA vor allem, dass Forschung mittlerweile ausschließlich daran gemessen werde, welchen wirtschaftlichen Nutzen sie habe. „Gerade wenn die Industrie Forschungsgelder bereitstellt, wird doch gar nicht mehr kritisch hinterfragt, welche negativen Folgen bestimmte industrielle Entwicklungen haben“, so Falk.

Eine breite Debatte über die Gefahr der Abhängigkeit von Drittmitteln ist dennoch nicht in Sicht, obwohl die Unis ihre Einnahmen aus Drittmitteln seit 1990 von umgerechnet 337 Millionen Euro auf weit mehr als 600 Millionen Euro gesteigert haben, wie ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums erklärt. Ministerin Hannelore Kraft (SPD) hatte jedoch mit Bezug auf die 45 Stiftungsprofessuren, die es zurzeit in NRW gibt, erst kürzlich erklärt, das Land brauche die externen Finanzspritzen, „um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen in der Spitzenforschung zu erhalten“.