Bürgerhaus Vegesack über den Berg

Solidarpakt statt drohenden Kündigungen – die Sanierung des Bürgerhauses Vegesack ist teuer erkauft

Bremen taz ■ Das Bürgerhaus Vegesack, dessen Insolvenz vor einem Jahr drohte, scheint gerettet. Gerd Meyer, damals suspendiert, ist wieder pädagogischer Leiter, die Ermittlungen gegen ihn sind eingestellt, die Betrugsvorwürfe vom Tisch. Noch immer hebt er sichtlich angefasst die Stimme, wenn er zurück blickt auf das unfreiwillige Zusammentreffen mit der Staatsanwaltschaft. Mit zwölf Mann war die vor rund einem Jahr angerückt, hatte den Bürgerhaus-Leiter wie einen Verbrecher behandelt und Akten aus seinem Büro sichergestellt. Ursache war damals vor allem eine Liquiditätslücke in Höhe von etwa 150.000 Euro. Zur Gegenfinanzierung hatte Meyer – auch mit dem Wissen der zuständigen Ressorts – ungenutzte Personalmittel und Gelder aus dem Täter-Opfer-Ausgleich (TAO) verwendet, die ganz offiziell über das Konto des Bürgerhauses abgewickelt wurden.

Daraus wollte man ihm einen Strick drehen, doch mittlerweile ist er vollständig rehabilitiert. Vor einigen Wochen kam ein Schreiben der Staatsanwaltschaft, das Verfahren sei eingestellt, und in einer großen Kiste kamen auch die beschlagnahmten Akten zurück. Meyer ist sogar froh, dass sein Haus endlich eine professionelle kaufmännische Leitung bekommen soll. Bisher hatte er ehrenamtlich die Geschäftsführung nebenbei gemacht. Vor einem Jahr hatte das Kulturressort den Rechtsanwalt Axel Adamietz damit beauftragt, die Finanzen in Ordnung zu bringen. „Ich möchte das zum Jahresende ordentlich übergeben“, erläutert der seinen befristeten Vertrag.

Inzwischen liegt ein Sparkonzept auf dem Tisch, das auch von der Belegschaft mitgetragen wird. „Wir fühlen uns mit Herrn Adamietz sehr gut vertreten“, erklärte dazu auch Klaus Buschmann, der als Vorsitzender des Bürgerhaus-Vereins an den oftmals sehr kontroversen Debatten beteiligt war und jetzt versichert: „Im Prinzip gab es zur erarbeiteten Vereinbarung keine Alternative.“

Sie sieht einerseits eine vierjährige Bestandsgarantie mit eingefrorenem Haushalt (rund 850.000 Euro) vor und andererseits einen Solidarpakt der Belegschaft, der durch eine bis 2008 befristete Stundenreduzierung ohne Lohnausgleich einen Großteil des drohenden Defizits auffängt und gleichzeitig Kündigungen vermeidet. Konkret willigte der Betriebsrat in eine Regelung ein, nach der Vollzeitkräfte ab Januar 2005 für 90 Prozent ihres Lohnes 34,5 Wochenstunden arbeiten. Die Teilzeitkräfte reduzieren von 20 auf 18,5 Wochenstunden und verzichten dafür auf fünf Prozent ihres Lohnes. Überdies werden die Mittel für Aushilfskräfte drastisch reduziert. Das Geld des Täter-Opfer-Ausgleichs – 150.000 Euro – soll in vier Jahren zurückfließen.

Das bringt erhebliche Einschnitte, die sich ab 2005 unter anderem in verkürzten Öffnungszeiten und einem reduzierten Kulturprogramm niederschlagen werden. „Alle Bereich leiden unter dieser Situation“, fasst Meyer dies zusammen, um mit Blick auf die Zukunft dann hervorzuheben: „Wir müssen soziale Ankerfunktion im Stadtteil bleiben.“ Zugleich möchte er das Haus immer wieder durch besondere Angebote und eine interessante Projektarbeit beleben. Dafür will er vermehrt Drittmittel oder Stiftungsgelder auch jenseits der Landesgrenzen beantragen.

Mit neuer Luft nach den Querelen der Vergangenheit setzt Meyer verstärkt auch auf Kooperationen mit anderen Einrichtungen. Vorigen Donnerstag hatte er daher Vertreter vom KITO und dem Kulturbahnhof ‚Kuba‘ eingeladen. Erschienen waren Axel Adamietz, diesmal in seiner Eigenschaft als Kuba-Notvorstand, und drei weitere Vorstandsmitglieder. Sie sehen nach dem Hickhack der letzten Monate laut Meyer im personellen Neuanfang eine Chance und wollen in weiteren Gesprächen ausloten, wo freiwillig und selbst gewählte Kooperation sinnvoll ist. Zunächst muss der Kuba dafür indes die eigene Krise bewältigen.

Jens Gaeting