Ein zweifelhafter Sieg für Scharon

Nach der Abstimmung über den Gaza-Abzugsplan entlässt der israelische Regierungschef rebellische Minister des Likud. Nun droht der Zerfall der größten Partei des Landes. Dann bleibt nur noch eine Koalition mit der Arbeitspartei – oder Neuwahlen

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Es ist ein Sieg für den israelischen Premierminister, dessen Partei nun zerbröselt. Mit einer überraschenden Mehrheit von 67 zu 45 Stimmen segnete das Parlament, die Knesset, am Dienstagabend den Gaza-Abzugsplan Ariel Scharons in erster Lesung ab. Ein Minister und ein Vizeminister der Likud-Partei, die gegen die Regierung stimmten, erhielten noch in der Nacht ihre Entlassungsschreiben. Unklar bleibt die Zukunft von vier weiteren Ministern, die dem Parteichef ein Ultimatum stellten: Innerhalb der kommenden 14 Tage soll er einem Referendum zustimmen.

Mit der jüngsten Knesset-Entscheidung ist zunächst ein Grundstock gelegt für den Plan, die jüdische Präsenz im Gaza-Streifen und dem nördlichen Westjordanland zu beenden. Bis spätestens kommenden März müssen Detailfragen gesetzlich geregelt werden. Ab Mai könnte dann der auf vier Phasen angelegte Rückzug in Angriff genommen werden. Vorausgesetzt, dass die Regierung bis dahin überlebt.

„Gestern Nacht haben wir eine Schlacht verloren“, sagte der entlassene Minister Usi Landau am Mittwoch, „doch der Großteil des Krieges steht uns noch bevor.“ Mit ihm stimmte die Hälfte des Likud gegen den Parteichef. Landau wird vermutlich versuchen, eine neue Bewegung auf Basis der alten Prinzipien, darunter das Festhalten an jüdischen Siedlungen, ins Leben zu rufen.

Eine Spaltung von Israels größter Partei erscheint logisch. So war es kein Likud-Abgeordneter, der für Scharon in die Bresche sprang, als in buchstäblich letzter Minute die vier Minister ihren Erpressungsversuch unternahmen. Oppositionsführer Schimon Peres ergriff sichtlich erbost das Mikrofon, wetterte gegen Erziehungsministerin Limor Livnat, deren „Erziehung keinen Heller Wert ist“, angesichts des peinlichen Beispiels, das sie der Jugend in Sachen Demokratie gebe. Livnat und Finanzminister Benjamin Netanjahu hatten vergeblich versucht, Scharon eine Zustimmung zum Referendum abzuringen, und erschienen erst, als der Parlamentspräsident bereits zum zweiten Mal die Namen der Abgeordneten las, um ihre Voten zu hören. Sie drucksten kaum hörbar ihr „dafür“ heraus, während sich Scharons Miene von Minute zu Minute verfinsterte.

Das Ultimatum der vier rebellischen Likud-Minister wie auch der Koalitionspartei NRP (National-Religiöse Partei) steht. In zwei Wochen soll der Rücktritt aus der Regierung eingereicht werden, es sei denn, Scharon stimmt doch noch einer Volksbefragung zu, was kaum zu erwarten ist. Mit dem Zerfall der Koalition bleibt dem Premierminister nur noch die Hoffnung auf die Arbeitspartei, mit der er neue Verhandlungen führen will.