„Auf‘s Klo kommt‘s an“

Gerichte müssen klären, ob 200 Euro Entschädigung für „menschenunwürdige“ Haftbedingungen zu hoch sind

Hannover taz ■ Menschenunwürdig oder nicht? Wenn das Oberlandesgericht in Celle bestätigen wird, dass zwei Tage Haft zu viert in einer 16-Quadratmeter-Zelle gegen das Grundgesetz verstoßen habe, könnten auf viele Bundesländer gesalzene Schadensersatzforderungen zukommen. Das hofft zumindest Axel Feller. Der Rechtsanwalt hatte für seinen Mandanten vor dem Landgericht Hannover 200 Euro erstritten, weil der sich in der JVA Hannover unrechtmäßig eingepfercht gefühlt hatte. Die Kammer hatte „menschenunwürdige“ Zustände gerügt. Was für Zellen vor allem dann gilt, wenn der Abort nicht anständig vom Raum abgetrennt ist – wie in Hannover. Feller: „Auf‘s Klo kommt‘s an.“

Gegen das Urteil legte das Land Niedersachsen Berufung ein. Es fürchtet eine Klagewelle – viele Gefängnisse im Land sind überfüllt. Gestern in Celle zweifelte der Richter zumindest die Höhe des Schadensersatzes an. Auch Niedersachsen hält die 100 Euro pro Tag für „unverhältnismäßig hoch“. Selbst jemand, der unschuldig im Gefängnis gesessen habe, bekomme nur elf Euro Entschädigung pro Tag.

Der 26-Jährige war ein verurteilter Straftäter, aus Süddeutschland unterwegs in die JVA in Bielefeld, wo er seine kleine Tochter sehen wollte. Der Transport wurde für den umstrittenen Zwischenstopp in Hannover unterbrochen.

Die Entschädigungssumme wird wohl der Bundesgerichtshof in einem weiteren Verfahren ermitteln müssen, deutete der Richter an. Darauf wartet Anwalt Feller. Er hat zehn weitere Mandanten, die in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen ihr Leben in überfüllten Knästen fristen mussten.

Darunter auch einen herzkranken, zu lebenslanger Haft verurteilten Mann, der sich 11,5 Quadratmeter mit zwei Mithäftlingen teilen mußte. Feller: „Wenn es bei der Schadensersatzsumme bleibt, kommen leicht Hunderttausende zusammen.“

kai schöneberg