Der Zauber verfliegt

Die belgische Needcompany eröffnete im Schauspielhaus die Reihe „Ich-Monologe“ mit dem Stück „No Comment“

von Karin Liebe

Ganz allein auf der großen Bühne des Schauspielhauses. Nur unterstützt von Licht und Musik. Ein Wagnis. Ein Raum, der durch Präsenz gefüllt werden muss. Einmal, zweimal, dreimal, viermal steht beim Eröffnungsabend der viertägigen Schauspielhaus-Reihe „Ich-Monologe“, die größtenteils aus Eigenproduktionen bestückt wird, eine Frau ganz allein im Rampenlicht. Die vier erzählen nacheinander und ohne erkennbaren Zusammenhang über Sex und Gewalt, das Leben, wie es ist und wie sie es sich erträumen. Vier Frauen, deren Bühnenpräsenz zwischen extremer Extrovertiertheit und extremer Introvertiertheit schwankt, die verzaubern, erschrecken, irritieren – und leider auch manchmal langweilen.

No Comment heißt das Stück der belgischen Theatergruppe Needcompany, das jetzt zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt wurde. Vielleicht wäre der Malersaal ein besserer, weil intimerer Ort für diese Bekenntnisse gewesen, die seltsamerweise alle von Männern geschrieben wurden. Insbesondere die Tänzerin Tijen Lawton wirkt etwas verloren auf der großen, völlig nackten Bühne.

Ihr Bikini, in dem sie sich willig zeigt, will gar nicht zu ihrer androgyn-verhaltenen Ausstrahlung passen. Mit präzisen Stakkatobewegungen tanzt und springt sie quer durch den Raum, lotet alle Ecken aus, um sich direkt vor dem Publikum aufzubauen und das Tempo zu drosseln. Eine Art Bodybuilderpose nimmt sie dann ein, bar jeder Erotik. Diese Sequenzen wiederholen sich ohne spürbare Entwicklung, ohne ein erkennbares Thema. Reine Lust am Ausdruck? Von Lust ist bei dieser Präsentation nichts zu spüren, eher von einer extremen Kontrolliertheit.

Ganz anders Carlotta Sagna. Sie thematisiert die Lust mit Worten. Die Lust am Sex. Anfangs scheint ihr Solo, das sie im eng anliegenden Schlauchkleid vorträgt, eine Hymne an die Fleischeslust zu sein. Sie erzählt mit leuchtenden Augen von ihrer Entjungferung, ihrem ersten Gruppensex, von der Heilkraft des Orgasmus, des angeblich besten Migränemittels überhaupt. Doch wenn sie dann berichtet, wie sie als Prostituierte 20 Männer gleichzeitig ihren nackten, gespreizten Körper berühren und in ihn eindringen ließ, wirkt das nicht mehr so lustvoll. Sie zeigt auf ihre Narbe am Steißbein, die von den harten Stößen rühren. Spätestens dann, wenn sie von Vergewaltigung erzählt, kippt die aufgesetzt euphorische Stimmung. Und zum Schluss ist sie nur noch verstört, kleinlaut, verletzt.

Gewalt ist auch ein Thema bei Viviane De Muyncks Solo. Aber nicht sexuelle Gewalt, sondern Gewalt als Widerstand und Wille zum Töten. De Muyncks Solo, geschrieben von Needcompany-Gründer Jan Lauwers, heißt Ulrike in Anlehnung an Ulrike Meinhof. Dieser Bezug erschließt sich aber erst beim Nachlesen. Auf der Bühne sieht man eine verwirrte Frau, die zwischen Verletzlichkeit und Stärke schwankt, in deren Kopf sich zusammenhanglose Bilder abspulen, die sich in der Parfümerieabteilung eines Kaufhauses eine bessere Welt wünscht und doch an nichts glaubt. Und die schließlich – piff! – eine kleine Bombe zündet, die sehr schnell verpufft.

Was im Gedächtnis bleibt von diesem quadrierten Abend sehr disparater Solistinnen, ist vor allem der märchenhafte Anfang. Grace Ellen Barkey hat eine umwerfende Präsenz. Ihr Monolog einer Teetrinkerin ist voller Charme, Grazie, Anmut und Witz und verzaubert mühelos das Publikum. Barkey thront selbstbewusst in einem kostbar glitzernden orientalischen Prinzessinnengewand auf einer Art fliegendem Teppich, der tatsächlich zu schweben scheint, angestrahlt von farbigen Lampen, und redet über Magie und die Möglichkeit, dass alles plötzlich ganz anders sein könnte. Dass aus der Tülle der Teekanne der Tee nach oben fließt. Ein ätherisches, verführerisches Luftwesen, das auch ganz bodenständig sein kann.

17 Fehler hätte sie in ihrem Leben gemacht, da dürfe sie schon mal ihr Leid zelebrieren, indem sie alles loslasse. Dann erzählt die anmutige Prinzessin recht drastisch von Furzen, Einnässen und Scheiße am Hintern. Und das Wunder geschieht: Ihr Zauber geht dabei nicht verloren.

Die Reihe „Ich-Monologe“ wird heute im Malersaal fortgesetzt: um 19 Uhr Die Vagina-Monologe, um 21 Uhr Die Gedankensenderin, um 22.15 Uhr 4.48 Psychose, am Samstag nach vier weiteren Monologen im Malersaal und im Schauspielhaus. Abschluss um 22.15 Uhr mit „The Show Must Go On!“