Äpfel und Flugzeuge

Demonstrierende Airbus-Mitarbeiter können die Sturheit einiger Obstbauern nicht verstehen

AUS HAMBURGGERNOT KNÖDLER

Die Szenerie präsentiert sich in angemessener Düsternis: Den Horizont hinter dem Obstbauerndorf Neuenfelde verdunkelt eine bleigraue Wolkenwand. Herbstlich rostige Bäume gemahnen an die Vergänglichkeit alles Lebendigen. Von der etwas matschigen Wiese, auf der die Hamburger Airbus-Beschäftigten ihre Kundgebung für den Ausbau ihres Werks halten, zieht sich den Deich entlang eine schier endlose Menschenschlange zur drittgrößten Flugzeugfabrik der Welt. Hinter dem Deich lauert die Werkspiste auf dem Sprung in Richtung des weit auseinander gezogenen Dorfes. Die ersten Häuser, die dafür abgerissen wurden, standen zwei- oder dreihundert Meter von hier entfernt. Ein Stückchen weiter liegen die Grundstücke der Bauern, die ihre Obstgärten nicht für die Piste hergeben wollen.

Die Stimmung ist merkwürdig ruhig, was IG-Metall-Bezirksleiter Frank Teichmüller damit erklärt, dass hier ja „für und nicht gegen etwas“ demonstriert werde. Auf der Wiese ist die ganze bunte Mischung einer mehr als 10.000 Köpfe zählenden Belegschaft zu sehen: vom Lehrling im blauen Arbeitsanzug, dem der Schraubenzieher aus der Hosentasche lugt, bis zur Angestellten mit aufwändiger Frisur im eleganten Mantel.

Manfred Grimbo und Hermann Dröge diskutieren mit einigen Airbus-Kollegen über die Obstbäuerin Gabi Quast, die als Sprecherin der Pistengegner im Rampenlicht steht. Sie wolle ihre Windräder durch größere Anlagen ersetzen, war in der Bild-Zeitung zu lesen. Wie sich diese Profitgier und Landschaftsverschandelung denn mit dem Kampf fürs Dorf vertrage?, stichelte das Blatt.

Grimbo und Dröge scheinen den Riesen-Airbus, der einmal über dem Dorf einschweben soll, für weniger problematisch zu halten als Quasts Riesen-Windräder. Über die Piste würden ja längst nicht so viele A 380-Flüge abgewickelt, wie immer behauptet werde, sagt Grimbo. „Wenn Sie auf dem Deich stehen und einen A 380 sehen wollen, dann rufen Sie mich an!“, bietet er an. Sollte jedoch die Piste nicht gebaut werden, habe Hamburg als Standort für die Flugzeugindustrie keine Zukunftsperspektive, sagt er.

Die Redner auf dem Podium geben sich versöhnlich: „Man hat zu spät angefangen miteinander zu reden“, will der Betriebsratsvorsitzende Horst Niehus erkannt haben. Die Menschen in Neuenfelde, zu denen auch Airbus-Mitarbeiter gehören, fühlten sich verraten, enttäuscht und allein gelassen. „Und wenn alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, wenn nichts mehr geht, dann kommt man mit dem großen Geld um die Ecke“, sagt Niehus unter Verweis auf einen 3-Millionen-Euro-Fonds zur Dorfentwicklung, den Airbus unlängst angeboten hat. Er erinnerte an die allgemeine Krise, daran, dass Airbus für fünf Jahre mit Aufträgen ausgelastet sei, und beteuerte: „Wir werden uns nicht nur für unsere eigenen Interessen einsetzen!“

Auch Gerhard Puttfarcken, Chef von Airbus Deutschland, hat gelernt: Es sei ein Interessenausgleich nötig und Neuenfelde im Bestand zu sichern. Er hatte bis dato zwar versichert, nach heutigem Stand sei keine weitere Pistenverlängerung mehr nötig, aber eingeschränkt, er sei „kein Prophet“. Jetzt ging er „schweren Herzens“ einen Schritt weiter: „Unter der Bedingung, dass der Pflanfeststellungsbeschluss verwirklicht werden kann, wird Airbus rechtsverbindlich erklären, bei Hamburg keinen Antrag auf Verlängerung über 3.273 Meter hinaus zu stellen.“ Am Tag zuvor hatte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) den Klägern ein Sperrgrundstück mit entsprechendem Eintrag im Grundbuch angeboten. Gestern Abend wollte er sich den Neuenfeldern in einer öffentlichen Veranstaltung stellen und verlorenes Vertrauen wiedergewinnen.